: Thomas Himmelbauer
: Tod im Gymnasium: Kriminalroman
: Federfrei Verlag
: 9783903092433
: 1
: CHF 4.50
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 203
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Als Prof. Dirkbacher am Ende des Elternsprechtages nochmals ins Gymnasium zurückkehrt, entdeckt er in der Garderobe die Leiche seiner Kollegin Prof. Ringelstein. Jemand hatte ihr in den Kopf geschossen. Noch bevor er die Polizei verständigen kann, hört er Schritte im Stiegenhaus: Der Mörder ist noch im Haus! Als die Beamten ihre Ermittlungen starten, finden sie bald heraus, dass die Ermordete nicht bei allen ihren Kollegen beliebt war. Doch was die Inspektoren noch mehr verwundert: Zum Zeitpunkt der Tat hatten sich nicht nur der Mörder und Prof. Dirkbacher im Schulgebäude aufgehalten.

Dienstag, 7. Dezember


Das Klappern von Geschirr weckte Osterbach. Er lag angezogen auf der Couch im Wohnzimmer. Als er zu Haus angekommen war, hatte seine Familie schon friedlich geschlafen. Thomas war neben Martha auf Osterbachs Bett gelegen, so dass für Osterbach kein Platz mehr gewesen war. Er war eingeschlafen, ohne auch nur einen Gedanken an den Mord zu verschwenden.

Ein Blick auf die Uhr machte ihn sofort munter. 6 Uhr 45. Unausgeschlafen ging Osterbach in die Küche, wo Martha mit Hanna am Arm ein Frühstück zubereitete.

»Hast du angezogen geschlafen?«, fragte Martha. Osterbach nickte.

»Vati soll mich tragen«, rief Hanna und streckte ihre Arme nach Osterbach aus. Er nahm Hanna in die Arme und hob sie hoch über sich in die Luft. Sie lachte.

»Noch einmal«, rief sie.

»Thomas schläft noch. Weckt ihn nicht auf!«, mahnte Martha.

Osterbach legte seinen Finger an den Mund und begann sich mit Hanna am Arm einen Kaffee zu richten. Bald hatte Martha das Frühstück für Hanna fertig. Die Kleine kletterte aus Osterbachs Armen zu Boden und setzte sich zu Martha ins Wohnzimmer, um ihren Kakao zu trinken. Osterbach trank seinen Kaffee im Stehen in der Küche.

»Es war eine Lehrerin«, sagte er zu Martha hinaus.

»Erstochen oder erwürgt?«, fragte Hanna mit vollem Mund.

»Unsere Kinder können nicht normal werden«, klagte Martha, »unsere Kinder müssen verrückt werden.«

»Thomas vielleicht, ich nicht«, sagte Hanna ganz bestimmt.

Osterbach unterzog sich einer Schnelldusche, rasch sah er noch einmal bei Martha vorbei: »Ich komme sicherlich erst gegen Abend. Der erste Ermittlungstag ist immer ein langer. Tschau Hanna.«

Er strich ihr über die blonde Haarpracht.

»Mama kommt aufpassen. Ich muss zum Friseur, und Thomas kann heute noch nicht in den Kindergarten. Wenn es später als sechs wird, ruf uns an!«

»Okay.«

Osterbach wollte schon gehen, da forderte Hanna: »Einen Kuss für Mutti!«

Er ging zu Martha, beugte sich zu ihr hinunter und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen.

»Mit dieser Jacke kannst du nicht zur Arbeit gehen. Du siehst aus wie ein Sandler.«

»Ludl sieht auch nicht anders aus.«

»Bei ihm passt das, bei dir nicht.«

»Welche Jacke soll ich nehmen?«

»Nimm die braune und zieh bitte deine schwarzen Stiefel an. Ich kann diese Haferlschuhe nicht sehen.«

Rasch zog sich Osterbach um und eilte dann hinaus auf die Straße. Erst jetzt setzte er seine Haube auf. Martha liebte keine Männer mit Wollhauben. Aber Osterbach wollte lieber warme Ohren, als ein hübscher Mann sein. Wo hatte er das Auto geparkt? Ach ja, vor dem Friseurgeschäft.

Als Osterbach in die Theodor-Dingler-Gasse einbog, war es kurz vor acht. Dutzendweise hielten Autos vor der Schule und Kinder eilten aus ihnen dem Schulgebäude zu. An ein schnelles Weiterkommen war nicht zu denken. Eine Gruppe von Oberstufenschülern stand rauchend neben dem Eingang. Autos von Journalisten parkten ganz in der Nähe der Schule. Osterbach fand erst am Ende der Wallgasse einen Parkplatz. Als er die Theodor-Dingler-Gasse betrat, hörte er das Läuten zum Unterrichtsbeginn. Trotzdem rauchten noch einige Schüler ihre Zigaretten zu Ende.

Im Stiegenhaus war es bereits ruhig geworden. Lediglich einige Lehrer kamen Osterbach entgegen. Ludl stand schon am Gang vor dem Sekretariat.

»Osterbach, wenn Sie noch einmal zu spät kommen, muss ich Ihre Eltern vorladen«, mahnte Ludl ernst.

»Die Straßenbahn hat eine Störung gehabt«, erwiderte Osterbach ebenso ernst.

»Ich war in der Früh noch im Büro. Die Kugel, die Frau Prof. Ringelstein getroffen hat, hat Kaliber 7,65. Einen Gipsabdruck von der Spur in der Wiese habe ich mit. Die Schuhgröße ist mindestens 42. Vermutlich ein Turnschuh.«

»Danke«, sagte Osterbach.

»Bitte, schließlich habe ich keine Martha und keine Kinder.«

Gerade als sie das Sekretariat betreten wollten, um sich anzumelden, öffnete sich die Tür zur Direktion und ein halbes Dutzend empörter Journalisten, gefolgt von einem kleinen, dicken Mann mit hochrotem Kopf , kam auf den Gang heraus.

»Sie haben mich nicht gefragt, ob Sie Schüler interviewen dürfen. Nein, Journalisten sind schulfremde Personen und Sie verlassen jetzt sofort das Gebäude, sonst hole ich die Polizei«, brüllte der kleine Mann aufgeregt, »und was Sie über mich schreiben, das ist mir ganz egal.«

»Wir sind schon da«, meinte Ludl leise.

Osterbach und Ludl nickten den vorbeigehenden, ihnen durchaus bekannten Journalisten lächelnd zu. Nur Nico Stampfer blieb bei ihnen stehen.

»Es hat wohl keinen Sinn, wenn ich frage, wie die Ermittlungen stehen?«

»Nein«, antwortet Osterbach kurz.

»Sehr freundlich«, erwiderte Stampfer und folgte seinen Kollegen.

»Jetzt schreibt er sicherlich: ›Polizei tappt bei rätselhaftem Mord im Dunkeln‹«, sagte Ludl.

»Völlig im Dunkeln«, fügte Stampfer hinzu, ohne sich umzudrehen.

Ludl, gefolgt von Osterbach, betrat das Sekretariat.

»Guten Morgen, wir wollen gerne Herrn Moosgruber sprechen«, sagte Ludl freundlich.

»Herrn Direktor Moosgruber«, verbesserte die junge Sekretärin, deren kastanienbraunes, langes, gelocktes Haar alle ihre sonstigen Eigenschaften in den Schatten stellte.

»Wenn Sie von der Presse sind, Journalisten haben bei uns für die nächste Zeit Hausverbot.«

»Nein, von der Mordkommission«, sagte Osterbach trocken.

»Einen Augenblick, bitte.«

Sie verschwand, ihre Haarpracht einmal schüttelnd, durch eine gepolsterte Tür.

»Jetzt wird mir erst klar, warum du in Betragen einen Dreier hattest. Herr Moosgruber, wie konntest du nur?«

Ludl zuckte als Antwort mit den Schultern.

Die Sekretärin kam zurück.

»Direktor Moosgruber erwartet Sie.« Sie deutete mit der rechten Hand in das Zimmer hinter sich.

Das Direktionszimmer war ein großer Raum, beherrscht von einem gewaltigen Schreibtisch, hinter dem sich der empfangende Direktor Moosgruber besonders klein ausmachte. Bundeswappen, Bild des Bundespräsidenten und Stundenplan an der Wand und ein riesiger Gummibaum zwischen den beiden Fenstern waren der einzige Schmuck. Vor einem wandfüllenden Kasten stand ein ovaler Tisch mit sechs Stühlen.

»Direktor Moosgruber«, stellte er sich vor, »wollen Sie bitte Platz nehmen.«

Er deutete auf den ovalen Tisch.

»Osterbach und Ludl von der Mordkommission«, erwiderte Osterbach und sie setzten sich.

Direktor Moosgruber wischte sich einige Schweißperlen von der Stirn.

»Diese Journalisten treiben mich noch in den Wahnsinn.«

Er atmete einmal tief durch.

»Ich habe alles erst heute früh erfahren. Ich habe privat eine Geheimnummer. Prof. Dirkbacher konnte mich nicht verständigen. Es ist mir unbegreiflich, warum man Frau Prof. Ringelstein ermordet hat.«

»Sie haben also keinen Verdacht, wer es sein könnte«, fragte Ludl.

»Überhaupt nicht. Keine Ahnung. Und ich schicke Prof. Dirkbacher noch in die Schule zurück mit seinem schwachen Herz. Er hätte sterben können.«

»Sie haben ja nicht gewusst, was ihn hier erwartete. Es gibt eine Spur vom möglichen Täter. Darf mein Kollege die Schuhe von Schülern und Lehrern näher untersuchen?«, fragte Osterbach.

»Und den Arbeitsplatz von Frau Prof. Ringelstein«, ergänzte Ludl.

»Natürlich. Frau Sicinsky, meine Sekretärin, soll Ihnen den Platz und die Garderoben zeigen. Während der Stunde ist ein günstiger Zeitpunkt.«

Ludl erhob sich und ging.

»War Frau Prof. Ringelstein sehr streng?«

Direktor Moosgruber blickte auf und zögerte einen Augenblick mit der Antwort. »Ja. Bei ihr gab es immer schon viele Fünfer in Latein und Englisch. Sie hat sich in den 25 Jahren, die ich sie nun schon kenne, nicht verändert. Sie war eine verlässliche Person, durch und durch konsequent. Sie hatte auf Familie verzichtet, um ihren verwaisten Neffen Daniel aufzuziehen.«

»Schüler und deren Eltern haben die Fünfer widerspruchslos hingenommen?«

»Keineswegs. Öfters hatte ich aufgebrachte Eltern zu beruhigen. Dreimal haben Eltern gegen einen Fünfer berufen. Frau Prof. Ringelstein hat alle Berufungen gewonnen. Aber schlechte Noten sind doch kein Mordmotiv?«

Moosgruber blickte Osterbach fragend an.

»Gab es zurzeit einen Streitfall?«, wollte Osterbach wissen.

»Jetzt im Dezember? Das kommt erst im Mai oder Juni.« Direktor Moosgruber schüttelte entschieden seinen Kopf.

»Und wie war ihr Verhältnis zu den Kollegen?«

»Sehr kühl. Sie hatte keine Freunde in der Kollegenschaft. Manchmal gab es Konflikte, wenn ihr die Kollegen zu wenig streng oder konsequent waren. Aber...