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Das Le Squonk missfiel ihm in jeglicher Hinsicht. Ein Strip-Club, angeblich angesagt, im dritten Untergeschoss eines heruntergekommenen Gebäudes im 10. Arrondissement. Wände, Boden, Decke, alles schwarz. Schon als Stéphane Corso, Leiter von Team 1 der Pariser Kriminalpolizei, die Treppe hinabgestiegen war, hatte sich ein dumpfes Dröhnen, wie das einer U-Bahn, durch seinen Magen gewunden. Doch nein, es war ein simpler Soundeffekt à la David Lynch, der ihm den Atem raubte.
Der Korridor war mit Fotos von Pin-up-Girls aus den Fünfzigerjahren dekoriert, erhellt von einem schmalen LED-Leuchtband. Er mündete in einer Bar, in der die traditionellen Flaschenreihen hinter der Theke durch Schwarz-Weiß-Fotos von baufälligen Industrieanlagen und verlassenen Hotels ersetzt worden waren.No comment.
Corso war den anderen Zuschauern nach rechts in einen Saal mit roten, ansteigend angeordneten Sitzen gefolgt. Er hatte sich in eine Ecke gesetzt, Voyeur unter Voyeuren, und darauf gewartet, dass die Lichter ausgingen. Er war gekommen, um das Terrain zu sondieren, und war, was das betraf, bedient.
Laut Programm, das auf einer schwarzen Plastikfolie mit weißer Schrift notiert war, die an ein Röntgenbild erinnerte, waren zwei Drittel der Show überstanden, und Corso fragte sich zum wohl hundertsten Mal, welchem bizarren Snobismus es zu verdanken war, dass diese Art kitschiger Darbietungen, die hier gemäß der gewählten amerikanischen Terminologie als »New Burlesque« bezeichnet wurde, wieder in Mode kam.
Er hatte bereits Miss Velvet über sich ergehen lassen, eine tätowierte Brünette mit einem Louise-Brooks-Haarschnitt, außerdem Candy Moon mit ihrem Tanz der sieben Schleier sowie Gypsy La Rose, die eine Brücke machen und dabei ihre Schuhe ausziehen konnte. Nun wartete das Publikum auf Mam’zelle Nitouche und Lova Doll … Corso hatte diese von Art von Shows nie gemocht, und auch der Körperbau der Damen stimmte ihn keineswegs nachsichtiger. Sie waren alle eher drall, viel zu stark geschminkt und grimassierten, was dem, was ihm gefiel, diametral entgegenstand.
Emiliya kam ihm in den Sinn, und die Scheidungspapiere, die seine Anwältin ihm an diesem Tag geschickt hatte. Sie waren der eigentliche Grund für seine schlechte Laune. Rechtlich gesehen kennzeichneten diese Schriftsätze nicht etwa das Ende des Verfahrens, sondern im Gegenteil erst den Beginn der Feindseligkeiten. Es handelte sich um eine offenbar von Emiliya diktierte Flut aus Verletzungen und Lügen, auf die er mit der gleichen Heftigkeit würde reagieren müssen.
Grund für die Auseinandersetzung war ihr gemeinsames Kind Thaddée, ein kleiner Junge von demnächst zehn Jahren, für den Corso das alleinige Sorgerecht beantragt hatte. Dabei ging es ihm weniger darum, seinen Sohn bei sich zu behalten, als darum, das Kind von seiner Mutter fernzuhalten, dem seiner Meinung nach schlimmsten Übel überhaupt, war sie doch eine hohe Beamtin bulgarischer Herkunft, die auf harten SM stand. Der Gedanke trieb einen Schwall Säure in seine Kehle, und er fürchtete, dass diese Angelegenheit in einem Magengeschwür, Leberkrebs oder viel