: Gerhard Feige
: Anders katholisch Vom Mut zum kleinen Weg
: Verlag Herder GmbH
: 9783451818431
: 1
: CHF 13.10
:
: Christliche Religionen
: German
: 240
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Katholiken sind im Lande Luthers die Minderheit. 'Auf diesem Hintergrund meint ´anders katholisch´ also, vor Ort eine eigene Geschichte zu haben und mit besonderen Prägungen und Herausforderungen unterwegs zu sein, die sich von der kirchlichen Wirklichkeit in anderen Ländern oder Regionen merklich unterscheiden. Oftmals verbindet sich damit sogar ein unverwechselbarer ´Stallgeruch´.' Dass das nicht Anlass zu Verdruss oder Selbstmitleid, sondern Gelegenheit zum freimütigen Auftreten sein kann, zeigt der Magdeburger Bischof Gerhard Feige in seinen Predigten und Ansprachen. Aus dem Rückblick in Zeiten der Auseinandersetzung mit Protestantismus und Sozialismus gewinnt er Orientierung für Gegenwart und Zukunft. Die Wege, die er aufzeigt, mögen klein und schmal sein - aber sie führen in die Zukunft und die Weite.

Dr. Gerhard Feige, geb. 1951 in Halle (Saale), Studium der Philosophie und Theologie in Erfurt, 1978 Priesterweihe, 1988 Promotion, Studienaufenthalt in Rom, 1994 Berufung zum Professor für Alte Kirchengeschichte, Patrologie und Ostkirchenkunde in Erfurt, ab 1999 Weihbischof in Magdeburg, seit 2005 Bischof von Magdeburg, seit 2012 Vorsitzender der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz, seit 2014 Mitglied des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen.

1. Historische Einblicke


Katholiken im »Lande Luthers«: Ab-, Um- und ­Aufbrüche


Als die Reformation begann, gehörte das Gebiet des heutigen Bistums Magdeburg und größtenteils auch des heutigen Landes Sachsen-Anhalt zu den Bistümern Verden, Havelberg, Brandenburg, Halberstadt, Magdeburg, Merseburg, Meißen, Naumburg-Zeitz und Mainz.1 Unter politischen Gesichtspunkten handelte es sich hierbei vor allem um das Hochstift Magdeburg, die anhaltischen Länder, die brandenburgische Altmark und den sächsischen Kurkreis, daneben aber auch um Teile des Herzogtums Sachsen, die Grafschaften Mansfeld, Stolberg-Wernigerode und Blankenburg-Regenstein, die Hochstifte Halberstadt, Merseburg und Naumburg sowie um die Herrschaft Barby und die Abtei Quedlinburg.2 Besonders bedeutsam war das im Jahre 968 durch Kaiser Otto I. gegründete Erzbistum Magdeburg. Mit seinen ihm zu- und untergeordneten Suffraganbistümern – dazu zählten die im selben Jahr errichteten Bistümer Merseburg, Naumburg-Zeitz und Meißen sowie die schon etwas länger bestehenden Bistümer Havelberg (946) und Brandenburg (948) – gehörte es zu den einflussreichsten Bistümern im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation.3

Doch schon seit dem 8. Jahrhundert hatte sich das Christentum westlich der Saale und bis zur Elbe allmählich ausgebreitet. Einen markanten Ausdruck fand diese Entwicklung bereits 804, als das Bistum Halberstadt gegründet wurde. Bis zum 16. Jahrhundert waren unzählige Klöster und Pfarreien entstanden, hatten Romanik und Gotik die Landschaft geprägt. Zugleich gingen bis dahin relativ viele Heilige aus dieser Region hervor.4 Zu ihnen gehören z. B. Adalbert, der erste Erzbischof von Magdeburg, und Norbert von Xanten, der dieses Amt von 1126 bis 1134 ausgeübt hat, Burchard von Halberstadt und Bruno von Querfurt, Königin Mathilde und Jutta von Sangerhausen oder die mittelalterlichen Mystikerinnen Gertrud von Helfta, Mechthild von Magdeburg und Mechthild von Hackeborn. Durch die Reformation wurde diese jahrhundertelange christliche bzw. altkirchliche Prägung des heutigen Mitteldeutschlands schwer erschüttert und grundsätzlich infrage gestellt. Ein gewaltiger Ab- und Umbruch war die Folge. Der Raum zwischen Harz und Elbe, Altmark und Thüringen wurde zum Kernland der Reformation.

Die Reformation setzt sich durch

Vom Beginn bis zur flächendeckenden Durchsetzung der Reformation dauerte es freilich noch einige Zeit. Zudem verliefen die Auseinandersetzungen in den einzelnen Territorien des heutigen Sachsen-Anhalts unterschiedlich intensiv.

Im Kurfürstentum Sachsen mit Wittenberg als Residenzstadt und gewissermaßen Wiege der Reformation in Deutschland – hier hatte Martin Luther mit nur geringfügigen Unterbrechungen von 1508 bis zu seinem Tod 1546 gelebt und gewirkt – wurde, durch landesherrliche Visitationen unterstützt, bereits im Jahre 1539 die Einführung der Reformation abgeschlossen.5

Im Erzstift Magdeburg hingegen, in dem besonders heftig gestritten wurde, zog sich dieser Prozess noch länger hin. Das betraf vor allem sowohl Halle, wo sich seit 1506 die Residenz des Erzbischofs befand, als auch Magdeburg.6 Lange Zeit versuchte Kardinal Albrecht von Brandenburg als Landesherr zu verhindern, dass evangelische Prediger eingesetzt würden. Dabei erschienen ihm als ei