: Daniel Bogner
: Ihr macht uns die Kirche kaputt... ...und wie wir das nicht zulassen!
: Verlag Herder GmbH
: 9783451818486
: 1
: CHF 10,50
:
: Christliche Religionen
: German
: 160
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Keine Konsequenzen aus dem Missbrauchsskandal, überkommene monarchische Strukturen und immer wieder die Frauenfrage: Viel zu lange haben Bischöfe, Kardinäle und der Papst Aufbruch nur gepredigt, ohne dass den Worten Taten gefolgt wären. Daniel Bogner, der junge Theologe, beschreibt klar und deutlich, woran die Kirche krankt und wie Reformen verhindert werden. Doch er ist kein routinemäßiger Kritiker, dem nichts an der Kirche läge: In seinem Buch zeigt er, wie die Kirche verlorenes Vertrauen wiedergewinnen und den Anschluss an die Moderne schaffen kann, ohne sich selbst zu verraten. Provokant bringt Bogner auf den Punkt, wovor die Kirche nicht ausweichen darf!

Dr. theol., Professor für Moraltheologie und Ethik an der Universität Fribourg. Zuvor tätig im Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz.

Nichts ist mehr, wie es war


Irgendetwas ist anders. Dieses Gefühl haben viele, wenn sie heute an die Kirche denken. Ich spreche von der katholischen Kirche. Sie ist meine Kirche, immer schon. Ich wurde nach der Geburt katholisch getauft, in diesem Glauben erzogen und durch meine bayerische Heimat auch kulturell in ihn »hineingeprägt«. Religiös zu sein war für mich immer eine natürliche Möglichkeit, die dem Menschen offensteht. In der katholischen Ausprägung des christlichen Glaubens fand ich einen Weg, diese Möglichkeit zu ergreifen.

Ich empfand diesen Weg als einladend – sinnenfroh und ganzheitlich, stets darum bemüht, die religiöse Botschaft in die kulturelle Umgebung zu übersetzen, dem Rationalen gegenüber keinesfalls abgeneigt. Nicht engstirnig und sektiererisch, sondern weltoffen und interessiert erlebte ich den Katholizismus in Kindheit und Jugend. Es war die glückliche Gestalt einer Glaubenskultur, die fähig war zu Synthese und Kompromiss. Man lebte in dieser Kirche das lebendige Erbe einer jahrhundertelangen Tradition mit ihren Bräuchen und spirituellen Praktiken. Das schuf ein Selbstbewusstsein der Religion, das die Basis war für ihre Neugierde und die Freude am Experiment. Ich durfte eine Kirche erleben, die, angestoßen durch das II. Vatikanische Konzil, sich den Entwicklungen in Welt und Gesellschaft zuwandte, davon lernen wollte, ohne ihre Quellen preiszugeben.

Ein solcher Katholizismus bot vieles, Verankerung und Aufbruch, Gedächtnis und Wagnis, Gewissheit und Risiko. Auch Debatte und Streit gab es, gewiss. Darum, was denn die notwendigen Konsequenzen des Glaubens im Politischen seien, und natürlich darüber, welche Reformen in der Kirche anstünden. Von einer Krise sprach man eigentlich immer schon. Dass der Glaube irgendwie angesagt war oder unumstritten – davon kann wirklich keine Rede sein. Dennoch, es ist heute nicht mehr so, wie es bisher war.

Etwas ist zerbrochen, und dieses Etwas lässt sich an der Missbrauchskrise festmachen. Ich nenne es das »Hintergrundvertrauen«. Das ist die Gewissheit, dass es im Letzten schon sein Richtiges habe mit der Kirche. Für viele Menschen, die ich auf meinem Weg im Katholizismus kennengelernt habe, war immer klar: Diese Kirche ist unendlich langsam damit, sich auf Neues einzulassen und das Notwendige zu lernen. In ihr sind Kräfte am Werk, die sie bremsen und durch die sich viele ausgebremst fühlen. Aber es ist doch eine Kirche, für die sich der Einsatz lohnt. Irgendwann, so die stille Annahme, wird das »lange Bohren dicker Bretter«, wie der Soziologe Max Weber es einmal für das Geschäft der Politik ausdrückte, auch in der Kirche Erfolg haben. »Und sie bewegt sich doch …« – so die Hoffnung, die viele lange Zeit hatten.

»Die Menschen glauben uns nicht mehr!«, sagt der Münchner Kardinal Reinhard Marx heute, wenn er die Situation analysiert. Die Kirche hat offenbar ihre wichtigste Ressource verspielt, die Glaubwürdigkeit. Denn das, was unter keinen Umständen passieren durfte, ist geschehen. Nicht nur bei den anderen, sondern hier, mitten in der eigenen Kirche. Man kann