1. KAPITEL
Cameron Reeves lehnte lässig an der Wand, nachdem die Maschine aus Los Angeles in Colorado Springs gelandet war, und beobachtete seine Schwägerin. Nellie sprach mit einer jungen Frau, drückte ihr die Hand und eilte zu ihm.
„Cam, was machst du denn hier?“ Sie stützte die Hände auf die Hüften. „Wo ist Jason?“
„Ich bin statt seiner gekommen.“
„Weshalb?“, fragte sie besorgt.
„Nun ja …“, begann Cameron und versuchte, seine Schwägerin zu beruhigen. Nellie war im achten Monat schwanger.
Ihre hübschen grünen Augen wurden schmal. „Nein, sag es lieber nicht“, unterbrach sie ihn und hielt eine Hand in die Höhe. „Ich will es gar nicht wissen.“
„Es ist nichts Ernstes, Nellie. Jason ist …“ Cameron zögerte einen Moment. „Er ist vom Scheunendach gefallen.“
„Wie bitte?“
„Keine Sorge, er hat sich nur die Hand verstaucht.“
Sie sahen sich an und lachten plötzlich. Jason war der netteste, ungeschickteste Mann, den man sich vorstellen konnte. Sie liebten ihn beide.
„Und weshalb ist Zach nicht gekommen?“
Cameron lächelte breit. Sein anderer Bruder war fest entschlossen, sich so weit wie möglich von Jason und Nellie fernzuhalten. „Er fürchtet, deine Gewichtszunahme könnte ansteckend sein.“ Liebevoll streichelte er ihren Bauch.
„Armer Jason. Er hat wirklich nur eine Verstauchung, ja?“ Nellie trat vor und umarmte ihren Schwager. Ihr Bauch berührte ihn zuerst, und Cameron schwankte ein wenig, bevor er das Gleichgewicht wiederfand.
„War es schön bei deiner Mutter?“ Er zog Nellie an seine Seite und wollte sie in Richtung Ausgang führen.
„Warte mal.“ Sie warf ihm einen unergründlichen Blick zu. „Vielleicht ist es ganz gut, dass Jason nicht hier ist.“ Sie blickte über die Schulter und sah ihn wieder an. „Wir suchen doch immer noch eine Haushälterin, nicht wahr?“
Die „Circle C Ranch“ war zu groß, um klein genannt zu werden, und zu klein, um als groß zu gelten. Obwohl die Brüder gern Rancher waren, wuchs ihnen die Arbeit über den Kopf. Ihre letzte Haushälterin war vor beinahe sechs Monaten gegangen. Seitdem trieb Nellie die Männer mit ihren armseligen Kochkenntnissen langsam zur Verzweiflung. Außerdem war das Haus viel zu geräumig, um ohne eine weitere Hilfe in Ordnung gehalten zu werden.
„Sag bloß, du hast Kochunterricht genommen“, sagte Cam vorsichtig.
„Nein, viel besser.“ Sie machte sich los und nahm seine Hand. „Ich habe eine Haushälterin eingestellt. Ich weiß zwar nicht, wie lange sie bleiben wird, aber …“
„Wo? Auf dem Flug von Los Angeles?“
„Ich habe sie auf dem Flughafen kennengelernt. Meine Maschine hatte Verspätung, und die Leute drängelten furchtbar. Diese Frau war die Einzige, die mir mit dem Gepäck half.“ Ihre Miene wurde besorgt. „Du hättest sie sehen sollen. Sie ist nicht älter als ich und hat furchtbare Angst. Mir scheint, sie ist vor irgendjemand auf der Flucht. Ich …“
„Du musstest unbedingt etwas tun.“
„Ja.“
Cam verstand seine Schwägerin. Nellie und er litten nach Ansicht der restlichen Familie unter einem „Helfersyndrom.“ Er ließ den Blick über die Passagiere schweifen und entdeckte die junge Frau sofort. Sie stand etwas abseits, rührte sich nicht und hielt den Kopf stolz in die Höhe. Sie sah ihn fest an, und ihm war, als träfe ihn ein elektr