Der geschundene Stückjunker
anno 1632
Schon von Weitem hörte man die Peitschen knallen, das Rumpeln von Rädern und schließlich auch das Fluchen der Männer. Ein Haufen Söldner kam lärmend den Schwarzwald herunter. Zuerst sah man eine Lafette mit gewaltigem Kanonenrohr obenauf, die von zwei Ochsen gezogen wurde. Dann eine weitere und eine dritte. Die Ungetüme schaukelten direkt auf den Hof von Christoph Hassler zu. Es mochten an die zwei Dutzend zerlumpte Burschen sein, die sich näherten.
Am Hof angekommen gab es ein großes»brrr …« und»bleibt stehen, ihr störrischen Rindviecher«. Ein strohblonder, breitschultriger Mann mit einem Galgenvogelgesicht löste sich aus der Gruppe und ging auf den Hoferben zu. Mit einer gewaltigen Narbe über dem linken Auge hielt er beim Sprechen den Kopf schief wie ein lauernder Habicht.
»Bist du der Bauer?«
Veit spürte eine unerklärliche Gefahr, die von dem Tross und ihrem Anführer ausging. Sie wirkten streitsüchtiger als andere Horden, die hier aufgekreuzt waren. Vielleicht waren sie übermüdet, hatten nichts rechtes im Magen oder aber sie wollten aufgestaute Rachegelüste stillen. Der Bauernsohn begann zu schwitzen und ärgerte sich, dass er nicht früher das Weite gesucht hatte. Noch am Morgen war der Vater ihn rüde angegangen, hatte ihn aufgefordert, heimlich mit ihm zu wildern. Aber der Vorschlag hatte dem Sohn nicht gefallen. Und überhaupt, allein hatte der Vater größere Aussicht, ein Tier zu erwischen, als wenn sie zu zweit durchs Gestrüpp getrampelt wären. Wäre Veit doch folgsamer gewesen! Nun stand er allein da.
»Der Bauer ist nicht da, wird aber bald zurück sein«, war die verängstigte Antwort.
»Ein Essen wollen wir und etwas zu trinken, hast du mich verstanden, du feister Kerl? Beeil dich und tisch auf, was gut ist. Wir haben nicht vor, hier zu übernachten.«
»Ich würde Euch gern etwas geben, aber außer ein paar Scheffeln Mehl ist nichts mehr da. Wir haben ja selbst nichts zu beißen.«
»Saukerl, was redest du da für wirres Zeug! Gib acht auf deine Lügengeschichten. Wenn wir nachschauen und etwas finden, dann gnade dir Gott. Also was ist? Willst du uns wieder loswerden oder sollen wir die Sache selbst in die Hand nehmen?«
Der Mann war kein Badener, eher wohl einer von den Schweden. Ja, gewiss, die gehörten zum Heer des Feldherrn Graf Horn. Die Nordmänner scherten sich nicht um die Herkunft ihrer Kämpfer, solange sich die Landsknechte willig einfügten und sie selbst die Obristen stellten. Sie waren schon bis ins Elsass vorgedrungen und die katholische Liga hatte das Weite gesucht. Egal welches Kriegsvolk vorbeizog, auf das Plündern verstanden sich beide Seiten gut.
Inzwischen waren die Zugtiere losgeschirrt und grasten, während die Männer begannen, das Haus zu durchstöbern.
Einer kam aus der Scheune und krakeelte übermütig in die Runde.»Ei, was für ein Vögelchen sitzt denn hier im Nest! Ein wenig vertrocknet sieht es aus, aber wenn sonst alles am rechten Platz ist, dann wollen wir ein wenig Spaß miteinander haben. Komm, Alte, lass uns deinen Strohsack ausprobieren. Wo ist der denn? Dort hinter der Tenne, stimmt’s? Brauchst keine Angst zu haben, dass es zu eng wird. Es liegt dir immer nur einer bei.«
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