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Erschrocken betrachtete Willa das Töterohr. Noch nie hatte sie eines aus solcher Nähe gesehen. Wie sie genau funktionierten, wusste sie nicht, aber sie hatte schon viele Jäger damit in ihrem Wald beobachtet und kannte dessen bösartige Macht. Sie hatte gesehen, wie Hirsche aus der Ferne niedergestreckt, Falken mitten im Flug getötet wurden. Im letzten Winter hatte sie eine verletzte Wölfin auf dem Waldboden liegend gefunden und ihre Wunden mit Heilkräutern verbunden, so dass sie zu ihren hungrigen Welpen zurückkehren konnte.
Der Mann lag mit geschlossenen Augen im Bett. Die Hände neben dem Körper bewegten sich fahrig, berührten das Töteeisen und den erschöpften Hund, und er murmelte unruhig im Schlaf vor sich hin.
Willa wusste, dass sie sich davonmachen sollte, aber sie wusste auch, dass sich einige der wertvollsten Dinge in genau diesem Raum befanden.
So schlich sie hinein, bloß eine Verschiebung der Dunkelheit, die sich durch die Schatten bewegte. Sie schlüpfte hinüber zur Kommode und schnappte sich die Hälfte der Halsketten und Ohrringe aus einer Schmuckschatulle. Das Gewicht ihrer Tasche gefiel ihr immer besser.
Die Jüngeren in ihrem Clan, die nicht stahlen oder nicht genug stahlen, bekamen nichts zu essen. So hatte der Padaran den Clan schon vor ihrer Geburt geführt. Wenn man nicht mit einer vollen Tasche in den Bau zurückkam, gab es kein Abendessen, und wenn das zwei Nächte in Folge geschah, passierte noch Schlimmeres. Der Padaran hatte ihr schon viele Male erklärt, dass die Tagvolk-Menschen reich waren und ihr Geld und ihre Besitztümer nicht brauchten, und wenn Willa sich anschaute, was das Tagvolk alles besaß, musste es wahr sein. Trotzdem nahm sie lieber nur die Hälfte von dem, was sie fand, und ließ den Rest zurück, nur falls die Tagvolk-Menschen und ihre Kinder auch hungrig waren.
Sie hatte schon in vielen Siedler-Bauten entlang dieses Flusses gestohlen. Wenn sie nur die Hälfte mitnahm, war es weniger auffällig.Laufe lautlos. Stehle spurlos. Das hatte sie sich selbst beigebracht. Wenn die Tagvolk-Menschen wirklich reich waren, würden sie ein paar verschwundene Dinge am nächsten Morgen nicht bemerken. Natürlich durfte der Padaran von ihrer Halbierungsregel nichts wissen – er würde sie schlagen, bis ihr die Ohren rauschten wie der Fluss, der unter ihrem Bau hindurchfloss –, aber sie war sehr gut im Stehlen, und normalerweise war er mit ihrer Beute zufrieden. Sie war eine seiner Lieblinge, und sie war fest entschlossen, das auch zu bleiben.
Ihre Großmutter, ihre Mamaw, die Willa aus ganzem Herzen liebte, hatte ihr erzählt, dass es einmal eine Zeit gegeben hatte, da die Faeran nach nichts anderem verlangt hatten als dem, was der Wald ihnen bot, in dem sie lebten. Doch als die Siedler mit ihren Äxten kamen und Bäume fällten und ihre kerzenerleuchteten Behausungen im Wald errichteten, begannen die Faeran, sich zu verändern – ihre Worte, ihre Wünsche, ihre Gewohnheiten. Manchmal, wenn Willa sich allein ganz weit draußen im Wald befand, wei