: Madeline Miller
: Ich bin Circe Roman | Eine rebellische Neuerzählung des Mythos um die griechische Göttin Circe - 'Göttlich-antiker Feminismus: ein fabelhafter Bestseller!' Brigitte
: Eisele eBooks
: 9783961610747
: 1
: CHF 13.50
:
: Märchen, Sagen, Legenden
: German
: 528
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Unsterblich. Unvollkommen. Unbezähmbar. Circe ist Tochter des mächtigen Sonnengotts Helios und der Nymphe Perse, doch sie ist ganz anders als ihre göttlichen Geschwister. Ihre Stimme klingt wie die einer Sterblichen, sie hat einen schwierigen Charakter und ein unabhängiges Temperament; sie ist empfänglich für das Leid der Menschen und fühlt sich in deren Gesellschaft wohler als bei den Göttern. Als sie wegen dieser Eigenschaften auf eine einsame Insel verbannt wird, kämpft sie alleine weiter. Sie studiert die Magie der Pflanzen, lernt wilde Tiere zu zähmen und wird zu einer mächtigen Zauberin. Vor allem aber ist Circe eine leidenschaftliche Frau: Liebe, Freundschaft, Rivalität, Angst, Zorn und Sehnsucht begleiten sie, als sie Daidalos, dem Minotauros, dem Ungeheuer Scylla, der tragischen Medea, dem klugen Odysseus und schließlich auch der geheimnisvollen Penelope begegnet. Am Ende muss sie sich als Magierin, liebende Frau und Mutter ein für alle Mal entscheiden, ob sie zu den Göttern gehören will, von denen sie abstammt, oder zu den Menschen - die sie lieben gelernt hat. 'Eine mutige und rebellische Neuerza?hlung der Go?ttinnengeschichte' New York Times Der Welt-Bestseller endlich auf Deutsch New-York-Times-Bestseller #1 'Dieses Buch ist göttlich. Ich war ganz traurig, als es zu Ende war. Große Leseempfehlung!' Gwyneth Paltrow

Madeline Miller studierte Altphilologie an der Brown University in Providence, USA, und Dramaturgie an der Yale School of Drama, wo sie sich auf die moderne Adaption klassischer Texte spezialisierte. Später unterrichtete sie in Cambridge Latein und Griechisch. Für ihren Debütroman Das Lied des Achill wurde sie 2012 mit dem Orange Prize for Fiction ausgezeichnet, er schaffte es zudem auf Platz 1 der New-York-Times-Bestsellerlist . Auch ihr zweiter Roman Ich bin Circe avancierte zum New York Times Bestseller und stand auf der Shortlist des Women's Prize for Fiction. Millers dritte literarische Reise in die Welt der griechischen Mythologie war Galatea, ihre Neuerzählung des Pygmalion-Mythos. Ihre Bücher wurden in über 30 Sprachen übersetzt.

KAPITEL 1

ALS ICH GEBOREN WURDE, gab es für das, was ich war, keinen Namen. Deshalb war ich für die anderen eine Nymphe, denn man ging davon aus, dass ich mich wie meine Mutter und Tanten und meine unzähligen Cousinen entwickeln würde. Da wir zu den niedrigsten unter den niederen Gottheiten zählten, waren unsere Kräfte so armselig, dass wir uns damit kaum die Unsterblichkeit zu bewahren vermochten. Wir sprachen mit den Fischen und züchteten Blumen, wir schwatzten den Wolken die Regentropfen ab und den Wellen das Salz. Das Wort Nymphe steckte die Leitlinien unserer Leben ab. Denn in unserer Sprache bedeutet es nicht nur Göttin, sondern auch Braut.

Meine Mutter war auch eine von ihnen, eine Najade, Hüterin der Quellen und Brunnen, der Bäche und Flüsse. Helios, mein Vater, konnte den Blick nicht mehr von ihr abwenden, als er den Palast ihres Vaters Okeanos besuchte. Helios und Okeanos saßen zu jener Zeit oft bei Tisch zusammen. Sie waren Vettern und im gleichen Alter, was man ihnen aber nicht ansah. Helios erstrahlte hell wie frisch geschmiedete Bronze, während Okeanos bereits mit wässrigen Augen und einem weißen Bart, der ihm bis zu den Lenden reichte, auf die Welt gekommen war. Doch sie waren beide Titanen und zogen die Gesellschaft des anderen der jener grünschnäbligen Götter im Olymp vor, die von der Entstehung der Welt nichts mitbekommen hatten.

Okeanos’ Palast sorgte für großes Staunen, so tief in die Felsen der Erde gebaut. Die Hallen mit ihren hohen Gewölbedecken waren vergoldet und die Steinböden von Jahrhunderten göttlicher Füße geglättet. Durch jeden Raum zog sich das leise Plätschern von Okeanos’ Fluss, dem Weltenstrom. Die Farbe seines Wassers war so dunkel, dass sich nur schwer sagen ließ, wo genau sein Felsenbett begann und wo es endete. An seinen Ufern wuchsen Gras und zarte Blumen sowie die ungezählte Kinderschar des Okeanos, Najaden und Nymphen und Flussgötter. Seidig glänzend wie Otter, lachend, mit strahlenden Gesichtern im dämmrigen Licht, reichten sie sich goldene Kelche und rauften oder neckten sich im Liebesspiel. Mitten unter ihnen, all diese liliengleiche Schönheit noch überstrahlend, thronte meine Mutter.

Ihr Haar hatte einen warmen Braunton, und jede Strähne schimmerte wie von innen beleuchtet. Sie musste die Blicke meines Vaters wie Hitzeschwaden eines Lagerfeuers gespürt haben. Ich sehe es vor mir, wie sie ihr Kleid drapiert, damit es ihr wie von ungefähr über eine Schulter rutscht. Ich sehe vor mir, wie sie ihre glänzenden Finger ins Wasser taucht. Ich habe sie Tausende solcher Kniffe tausendfach anwenden sehen. Mein Vater fiel jedes Mal darauf herein. Er lebte in dem Glauben, die natürliche Weltordnung bestehe einzig und allein zu seinem Wohlgefallen.

»Wer ist das?«, fragte mein Vater Okeanos.

Okeanos hatte bereits viele goldäugige Enkel von meinem Vater und erfreute sich an dem Gedanken, es könnten noch mehr werden. »Meine Tochter Perse. Sie gehört dir, wenn du sie willst.«

Am Tag darauf fand mein Vater sie an ihrer Quelle in der Oberwelt. Es war wunderschön dort, alles war bedeckt mit großblütigen Narzissen, über die sich Eichenzweige rankten. Kein Schmutz, keine schleimigen Frösche, nur saubere runde Steine, die dem Gras wichen. Selbst mein Vater, der sich nichts aus den Finessen der Fertigkeiten von Nymphen machte, bewunderte ihr Werk.

Meine Mutter wusste, dass er sich auf dem Weg zu ihr befand. Zart und anmutig war sie, aber auch durchtrieben und mit einem Verstand ausgerüstet, der so scharf war wie die Fangzähne eines Aals. Sie hatte längst erkannt, mit welchen Mitteln ihresgleichen an die Macht gelangen konnte, und zwar ganz sicher nicht durch Bastarde und Techtelmechtel am Uferrand. Als er vor ihr stand, umhüllt von seinem goldenen Glanz, lachte sie ihn aus.Dir beiwohnen? Warum sollte ich?

Mein Vater hätte sich natürlich nehmen können, was er wollte. Aber Helios bildete sich etwas darauf ein, dass alle Frauen bereitwillig das Bett mit ihm teilten, egal, ob Sklavin oder Göttin. Auf den Altären ihm zu Ehren qualmten und rauchten die Opfergaben dickbäuchiger Mütter und glücklicher unehelicher Kinder als Beweis seiner begehrten Manneskraft.

»Heirat«, sagte sie, »oder nichts. Und wenn es zur Eheschließung kommt, dann hör mir jetzt gut zu: Dort draußen darfst du dir alle Mädchen nehmen, die dir gefallen, aber du wirst keine Einzige von ihnen mit nach Hause bringen, denn nur ich allein werde in dei