Kapitel 3
Ionisches Meer
Am selben Tag, zuvor
Die See war so spiegelglatt und durchscheinend wie der Lago di Garda im Frühling, das Wasser glitzerte in einem dunklen Saphirton, unter dem sich Erhebungen von Felsen und Seegras abzeichneten. Der Himmel war so tiefblau, als habe ihn Uranos eigens für diesen Sommertag frisch angemalt, keine Wolke störte die perfekte Farbe. Vor diesem fast verstörenden Ultramarin erhoben sich am Ufer der Insel Skorpios dunkel eine Reihe von Zypressen, die weiche Bergkulisse dahinter schimmerte in allen Grüntönen, Tausende junge Bäume reckten ihre Äste der Sonne entgegen. Aristo hatte sie gepflanzt, nachdem die Landschaft fast fünfhundert Jahre lang unter dem Kahlschlag der Venezianer gelitten hatte. Er hatte die Aufforstung natürlich nicht allein bewerkstelligt, wohl aber einen ersten Spatenstich, den Beginn der Wiederherstellung einer wunderschönen Natur, und er war für eine lange Zeit jeden Morgen auf der Insel angelandet, um den Tag mit den Architekten und Arbeitern zu verbringen und an ihrer Seite mit freiem Oberkörper zu planen und zu fachsimpeln.
Sagte man nicht von jenen Menschen, die die Natur liebten, sie hätten eine grüne Seite und diese sei die beste an ihnen?
Während Maria gedankenverloren die kostspielige Waldpflanzung am Horizont betrachtete, ging ihr diese Frage durch den Sinn. Besaß der Eigentümer der Insel, ihr Geliebter, tatsächlich diese besondere Charaktereigenschaft – oder wollte er mit der Rekonstruktion des Waldes nur zeigen, dass er in der Lage war, auch die Natur zu beherrschen? So, wie er fast allen Menschen seinen Willen aufzuzwingen versuchte?
Auf gewisse Weise hatte Aristoteles Onassis auch Maria gefügig gemacht. Sie war seinem Charme erlegen, seiner charismatischen Persönlichkeit, und glaubte an eben die guten Seiten an ihm. Dafür ertrug sie seine Launen und seine gelegentlichen Affären. Schließlich wusste sie, dass er sie niemals absichtlich verletzen wollte, sondern immer nur darauf aus war, zu triumphieren, Bestätigung zu erhalten. Und manche dieser Frauen waren für ihn wohl nichts anderes als Trophäen in dieser Zeit, in der Sexualität immer offener gelebt wurde. Maria ließ ihn schmunzelnd gewähren, denn sie wusste, wie wichtig es für ihn war zu beeindrucken – womit auch immer. Aristo wollte nicht nur der reichste Mann auf Erden sein, sondern auch jener, der am meisten bewundert wurde. Womöglich besaß er also gar keine grüne Seite, sondern nur ein etwas diffiziles Selbstwertgefühl. Etwas, das sie beide enger verband, als ihr lieb sein konnte.
»Ich habe gehört, dass Pier Paolo Pasolini einen Film über den Medea-Mythos drehen will …«
Sie nahm die Stimme ihres Freundes wie das sanfte Plätschern des Swimmingpools auf dem Sonnendeck des vor Skorpios ankernden Schiffs wahr, auf dem sie waren. Das Poolwasser glitzerte in einem tiefen Blaugrün, eine Reflexion des Himmels und des Mosaiks auf dem Boden, das eine Reproduktion des Stierkampffreskos aus dem Minotaurus-Palast in Knossos war. Die elektrisch betriebenen Fontänen am Rande des Beckens waren so eingestellt, dass sie nur gelegentlich aufspritzten und ihre Tropfen wie eine feine Gischt über die Schiffsaufbauten verteilten.
Seit geraumer Zeit redete Larry im Liegestuhl neben Maria auf sie ein, wobei sie ihm