2. KAPITEL
Eves Wangen waren vor Anstrengung leicht gerötet, nachdem sie zehn Minuten lang heftig in die Pedalen getreten hatte. Es geschah Nick ganz recht, wenn er jetzt glaubte, sein Rad sei gestohlen worden. Wie oft hatte sie ihm schon gesagt, er solle es abschließen!
Eigentlich war es ein erhebendes Gefühl, sich ausnahmsweise einmal selbst leichtsinnig zu verhalten. Richtig befreiend, dachte sie, als sie die Finger durch das modisch kurze Haar gleiten ließ.
Sie lehnte Nicks Rad an den großen, glänzenden Geländewagen, der auf dem mit Kies bestreuten Vorhof stand, und ging entschlossen auf den Haupteingang zu. Einen Moment lang betrachtete sie die beiden Steinlöwen, die den Eingang geradezu trotzig bewachten.
Die Tür war leicht angelehnt, und eine dunkle Ahnung beschlich Eve, als sie läutete. Seelisch und moralisch war sie jedoch auf einen Angriff vorbereitet, und sie musste sich nur kurz ihren Abgang durch eben diese Tür vorstellen, wie er wenige Stunden zuvor stattgefunden hatte, und schon legte sich ein entschlossener Zug um ihren Mund, und ihre Schultern strafften sich.
Sie würde Onkel Drew schon zeigen, dass sie nicht das Mädchen war, das er herumkommandieren konnte, das duckmäuserisch davonlief und sich von seinem Bizeps und ein paar harschen Worten einschüchtern ließ! Sie war wie jeder andere gut für einen Spaß zu haben, aber an Theos und Nicks Anspielung konnte sie ganz gewiss nichts Komisches finden.Chemie, also wirklich!
„Gehen Sie weiter!“, kam die Anweisung von einer geisterhaften Stimme.
Erschrocken blickte Eve über die Schulter und erwartete schon halb, jemanden vor sich stehen zu sehen, an den diese Worte gerichtet waren.
„Hier durch!“ Diesmal klang es ungeduldig, wie von einem Mann, dem Dummheit ein Gräuel war.
Du hast gehört, was er gesagt hat, Evie. Steh hier nicht so herum, Mädchen. Sie hatte nicht erwartet, so einfach wieder in dieses Haus hineinzukommen.
„Es ist der Spieltisch neben der Tür. Können Sie es hier richten, oder müssen Sie den Tisch mitnehmen? Falls ja, ich brauche ihn spätestens am Donnerstag wieder.“
Dieser Mann konnte andere gut schikanieren. Als er jetzt endlich den Kopf mit dem dunkelblonden Haar hob, wurde dieser Eindruck nur noch verstärkt. Während er sprach, hatte er die Hände in einen Eimer mit Seifenlauge getaucht. „Nun?“
„Sie erkennen mich nicht, oder?“
„Sollte ich?“, sagte er ungeduldig und strich sich eine blonde Haarsträhne zur Seite, die ihm über die Augen gefallen war. „Sie sind nicht der Lackierer? Du meine Güte!“, stieß er hervor und sah sie erstaunt an. „Es ist diefemme fatale. Und sieht weder sehr nachfemme noch nachfatale aus“, fügte er unfreundlich hinzu, stand auf und rieb sich die nassen Hände an den Jeans trocken.
Mit hochgezogenen Brauen ließ er den Blick ungläubig über ihr gestreiftes Top und die ärmellose Fleecejacke gleiten. In der weiten Kakihose kamen die Umrisse ihrer langen, schlanken Beine kaum zur Geltung. Und der Gegensatz zwischen ihren flachen, bequemen Stiefeln und den Riemchenschuhen mit Stilettoabsätzen, die sie zuvor getragen hatte, hätte nicht größer sein können.
Wenn er daran