1. KAPITEL
„Hallo, Dad!“, rief Darcy Alexander fröhlich ins Telefon. „Ist Mum da?“ Sie saß gemütlich in einem Sessel in ihrer Wohnung, die sie mit ihrer Freundin Jennifer teilte, und freute sich auf einen Plausch mit ihrer Mutter.
„Es tut mir leid, Darcy, du kannst nicht mit ihr reden. Sie … sie ist nicht hier.“
Darcy stutzte, und ihre Ferienstimmung war dahin. Dass ihre hyperaktive Mutter nicht zu Hause war, hatte nichts zu bedeuten, aber wie ihr Stiefvater es gesagt hatte, war alarmierend. „Was ist es heute? Probt sie für das Weihnachtskonzert, oder tagt der Ausschuss für die Reparatur des Kirchendachs?“, fragte sie so heiter wie möglich. Jack würde ihr von selbst erzählen, was los war, allerdings durfte man ihn nicht drängen.
Kurz spielte ein Lächeln um ihre Lippen, als sie an den Mann dachte, der ihre Mutter geheiratet hatte. Sie mochte ihn wahnsinnig gern. Ihr Bruder Nick war sieben gewesen und sie selbst fünf, als Jack in ihr Leben getreten war. Nach zwei Jahren war Clare geboren worden, und viel später und zu aller Überraschung kamen die Zwillinge Harry und Charlie. Ja, sie waren eine große, einander eng verbundene Familie.
„Weder noch“, antwortete Jack angespannt.
Darcy runzelte die Stirn. Der Mann, der seinem ersten Enkel in einem Landrover auf die Welt geholfen hatte, ohne in Angstschweiß auszubrechen, hörte sich den Tränen verflixt nahe an. Nein, sie sollte sich nicht länger in vornehmer Zurückhaltung üben. „Was ist los, Dad?“
„Deine Mutter …“
Zutiefst beunruhigt rutschte sie auf dem Stuhl hin und her. „Was ist mit ihr? Ist sie krank?“
„Nein. Sie ist weggefahren … Sie will Weihnachten in einem … Kloster in Cornwall verbringen.“
„Das ist am anderen Ende der Welt!“ Was für eine idiotische Bemerkung. Wo ihre Mutter sich aufhielt, war ziemlich egal, aber nicht, warum sie ihr Zuhause verlassen hatte. Ihre stets so stabile Mutter, die für die ganze Familie immer ein Fels in der Brandung war … Nein, es machte keinen Sinn!
„Und es gibt dort auch kein Telefon“, sagte Jack deprimiert. „Ich weiß nicht, was ich tun soll. Jeder fragt nach ihr. Sie ist für die Kostüme zuständig, die die Schulkinder fürs Krippenspiel brauchen, und die Frauenvereinigung will am Donnerstag zweihundert gefüllte Pasteten haben. Wie werden die zubereitet, Darcy?“
„Wir müssen uns über Wichtigeres den Kopf zerbrechen als über Pasteten!“ Verdammt, als ob sie Jack daran erinnern musste! „Hast du eine Ahnung, warum sie weggefahren ist, Dad? Habt ihr euch gestritten?“
„Nein, haben wir nicht. Sie war zuletzt etwas in sich gekehrt … Ja, du hast recht. Ich habe bestimmt etwas falsch gemacht.“
„So ein Unsinn!“ Sollte sie je einen Mann kennenlernen, der nur halb so wunderbar war wie ihr Stiefvater, würde sie sich mit Handschellen an ihn ketten.
„Anscheinend braucht sie etwas Zeit für sich …“
Menschen wie Mum geraten in keine Identitätskrisen, dachte Darcy verwirrt, und sie gehen nicht einfach fort, ohne eine Erklärung abzugeben.
„Darcy, was soll ich tun?“ Jack klang verzweifelt. „Sam, Beth und der kleine Jamie treffen nächsten Freitag aus den Staaten ein. Es