2. Es liegt etwas in der Luft
Charlie war sich bewusst, dass er drinnen besser pflichtbewusst wirken sollte. Also schloss er die Tür fest hinter sich und schaltete seine große Taschenlampe ein.
Kein Licht im Haus machen – so lautete die Regel. Die uralte Verkabelung war wohl so marode, dass man nicht das Risiko eingehen wollte, nachts irgendwelche Lampen einzuschalten, vermutete er.
Jetzt schön wach gucken, ermahnte er sich.Du wirst gefilmt.
Er wusste, dass über ihm noch eine Kamera war, die jeden aufnahm, der das Gebäude betrat. Jetzt erfasste sie nur Charlie zu Beginn seiner nächtlichen Runde.
Dreimal die Nacht, immer derselbe Ablauf.
Warum dreimal? Würde einmal um Mitternacht herum nicht genügen?
Aber sie bezahlten ihn für seine Dienste. Also warum sollte er sich beklagen?
Eine fürstliche Summe war es nicht gerade. Die Mittel, aus denen sein Lohn bestritten wurde, waren so mager wie die für alles andere hier.
Für die wenigen billigen Kameras zum Beispiel.
Im gesamten Haus gab es nur vier. Allerdings hatte dieser Bursche vom Conservation Trust, Mr Jessop, gesagt: »Nächstes Jahr kommt das volle Programm!« In allen Räumen Kameras, die mit einem Sicherheitsdienst vernetzt sein würden. Vielleicht sogar Bewegungsmelder drinnen und draußen.
Was dann höchstwahrscheinlich Charlies Dienste überflüssig machte.
Mit der brennenden Taschenlampe in der Hand, holte Charlie tief Luft. Die Anweisung lautete, im ersten Stock anzufangen und sich von dort nach unten zu arbeiten – und dabei immer genau denselben Weg zu nehmen.
Durch die Zimmer voller seltsamem Brimley-Kram.
Und Charlie musste zugeben, dass keine Nacht verging, in der ihn der langsame Gang durch die sogenannte »Sammlung« nicht nervös machte.
Man muss schon aus Stein sein, dachte er,wenn es einen da nicht ein kleines bisschen gruselt.
All dieser alte, schräge Ramsch in den Zimmern.
Und dieses komische Gefühl, dass er manchmal hatte, er würde – nun ja – beobachtet.
Unmöglich, wie er wusste. Um Punkt sechs verschwanden alle, die hier tagsüber arbeiteten: das neue Mädchen, das hier forschte, Clifford, der Gärtner, und der junge Bursche, der ihm half …
Und überhaupt – man brauchte eine dieser schicken Plastikschlüsselkarten, um hier reinzukommen, und die wurden gehütet wie Goldstaub. Somit konnte nachts gar keiner im Haus sein.
Obwohl …
In den letzten Monaten hätte er ein paarmalschwören können, dass er aus dem Augenwinkel eine Gestalt gesehen hatte, die einen Korridor hinunter verschwand.
Oder einen sich bewegenden Umriss, der sich in einer der Glasvitrinen spiegelte.
Und einmal hatte er geglaubt, Schritte zu hören. Sogar eine leise, murmelnde Stimme, kaum hörbar.
Nicht, dass er es irgendwem erzählt hätte. Oh nein. Nur Edna.
Doch sie hatte ihn ausgelacht und eine Woche lang versucht, ihn zu erschrecken – hatte sich oft hinterrücks an ihn herangeschlichen und »Buh!« gerufen.
Es dem Trust zu melden traute er sich erst recht nicht. Die würden bloß denken, dass er von allen guten Geistern verlassen war, und sich jemand anders für die Nachtschicht suchen.
Bin ich vielleicht wirklich ballaballa geworden?, überlegte er und lachte vor sich hin.Wenn, würde ich das wohl als Letzter merken, oder?
Er erreichte die ausladende Treppe mit dem rotbraunen Läufer, der nur rot aussah, wo der Lampenstrahl auf ihn traf. Der Rest war in ein schlammiges Schwarz getaucht und das Geländer nur eben