: Louis Begley
: Killer's Choice
: Suhrkamp
: 9783518750742
: 1
: CHF 24,00
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 220
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ex-Marine und Bestsellerautor Jack Dana könnte eigentlich ein ruhiges Leben führen: Er hat seinen Erzfeind Abner Brown zu Fall gebracht, ist glücklich liiert mit der schönen Anwältin Heidi Krohn und hat gerade begonnen, sein neues Buch zu schreiben. Doch dann werden sein Freund Simon Lathrop und dessen Frau auf brutalste Weise ermordet. Jack vermutet sogleich, dass die Tat mit Abner Brown in Verbindung stehen könnte, schließlich hatte Lathrop Jack geholfen, Abner zu Fall zu bringen. Als dann auch noch sein Laptop gehackt und er massiv bedroht wird, besteht für Jack kein Zweifel mehr daran, dass hier einer Abners Tod rächen will - jemand, der Abner sehr nahegestanden haben muss. Er nimmt die Herausforderung an, um Heidis und sein eigenes Leben zu retten, und gerät in große Gefahr ...
Louis Begleys neuer Roman verstrickt den Leser tief in die Machenschaften eines international agierenden Syndikats gewissenloser Gangster.

<p>Louis Begley, 1933 in Polen geboren, arbeitete bis 2004 als Anwalt in New York. Als Schriftsteller wurde er mit seinem Roman<em> Lügen in Zeiten des Krieges</em> weltweit bekannt. Seine Bücher wurden in 18 Sprachenübersetzt und vielfach ausgezeichnet.</p>

I


Mein Ende? So weit kommt es nicht. Dafür habe ich gesorgt. So weit wird es nie kommen, hatte Abner Brown zuletzt noch gespottet, Minuten bevor er sich die tödliche Dosis Insulin spritzte.

Damals hielt ich diese Drohung nur für eine der großmäuligen Tiraden, die der diabolische texanische Milliardär von sich gab, seit ich ihm gesagt hatte, dass ich die Akten, die ich ihm auf den Schreibtisch gepackt hatte, am folgenden Tag demUS-Attorney zustellen würde. Akten, die Abner mit Sicherheit für den Rest seines Lebens hinter Gitter oder sogar in die Todeszelle bringen würden, wenn sich mit ihrer Hilfe beweisen ließ, dass er international Morde in Auftrag gegeben hatte. Seine Prahlereien vergaß ich gern. Nicht zum ersten Mal kam mir der Verdacht, dass er wahnsinnig war.

Aber ich greife vor. Ich heiße Jack Dana. Ich bin ein ehemaliger Offizier der Marineinfanterie und habe eine der härtesten Kampfschulen der Marines absolviert. Als ich mit meinem Force-Recon-Zug in der Nähe von Delaram in der Provinz Helmand in Afghanistan auf Patrouille war, erwischte mich ein Taliban-Heckenschütze. Seine Kugel zertrümmerte meinen Beckenknochen. Es kostete eine Menge Zeit und chirurgisches Geschick, mich wiederherzustellen, bis ich so gut wie neu war, nur nicht mehr gut genug für den aktiven Dienst bei der Infanterie. Als das Walter-Reed-Militärkrankenhaus mich endlich entließ, hätte ich die elegante akademische Laufbahn wieder aufnehmen können, die ich vor 9/11 gestartet hatte, ehe ich beschloss, zu den Marines zu gehen, weil ich das Kämpfen nicht den armen Trotteln überlassen wollte, die nicht so privilegiert aufgewachsen waren wie ich und es nicht besser wussten. Aber während ich im Krankenhaus lag, begann ich, aufzuschreiben, wie der Krieg im Irak und in Afghanistan gewesen war und was er mir und meinen Männern angetan hatte. Dieses Buch zu Ende zu bringen wurde mein einziges Ziel. Und ich schloss es in New York ab, wo ich bei meinem Onkel Harry Dana wohnte, einem prominenten Anwalt, der wie ein Vater für mich war. Er stand mir sogar näher als mein wirklicher Vater. Er war auch das letzte Mitglied meiner Familie, das noch lebte. Mein Buch wurde sofort ein Erfolg; die Vorauszahlungen, die Tantiemen, die dann folgten, der Verkauf der Rechte zur Verfilmung und die Prämien, die mir zuflossen, als der Film einschlug und ein Hit wurde, all das machte mich reich. Meine beiden nächsten Romane verkauften sich fast genauso gut. So wurde ich Schriftsteller, ohne es groß geplant zu haben.

Aber ich greife schon wieder vor. Kurz nach dem Erscheinen meines ersten Buches, als ich in Brasilien auf einer Fazenda ohne Internet und Handyempfang Ferien machte, wurde mein Onkel Harry ermordet. Den als Selbstmord durch Erhängen deklarierten Mord beging ein Killer namens Slobo im Auftrag von Abner Brown. Brown war bis kurz davor Harrys wichtigster Mandant gewesen. Am Tag nach dem Mord brachte derselbe Killer Harrys langjährige Sekretärin um. Er stieß sie vor die U-Bahn. Diese Morde rächte ich sowie den Monate später begangenen Mord an Kerry Black, der besonders geschätzten Mitarbeiterin und späteren Juniorpartnerin meines Onkels, die mir geholfen hatte, das Beweismaterial gegen Brown zu finden, die Akte, die ich demUS-Bundesanwalt übergab und die zu Abners endgültigem Niedergang führte. Kerry und ich hatten uns leidenschaftlich ineinander verliebt, aber nachdem ich Slobo getötet hatte, statt ihn nur kampfunfähig zu machen und der Polizei zu übergeben, brach sie mit mir. Sie erklärte, ich hätte keinen Totschlag in legitimer Notwehr begangen, sondern einen Mord verübt. Arme Kerry! Abner vergaß nicht, wie sie mir geholfen hatte, das Dossier zusammenzustellen, das seine kriminellen Aktivitäten offenlegte. Er hatte auch sie ermorden lassen, diesmal war der Mord als Tod durch Überdosis eines Drogencocktails kaschiert.

Kerrys Mörder konnte ich nicht töten. Damit war mir Abner zuvorgekommen. Aber seit ich wusste, dass dieser Gangster tot war, seit ich gesehen hatte, wie Abner sich selbst die tödliche Injektion setzte, hörte ich auf, an ihn und seine Verbrechen zu denken. Ich war es leid. Ich war Abner leid, und ich war es leid, zu töten, um mit ihm gleichzuziehen und seine offenbar zahllosen Berufskiller daran zu hindern, dass sie mich ermordeten. Ja, die Wunden, die mir der letzte aus dieser Bande verpasst hatte, waren geheilt, aber selbst Fleischwunden, die nur eine minimale chirurgische Versorgung brauchen und ohne größere Komplikationen verheilen, setzen dir einen Dämpfer auf – wie meine liebe Mutter gern sagte. Außerdem war ich in die Arbeit an einem neuen Buch vertieft.

In diesem Buch über den Mord an meinem Onkel Harry habe ich die Wahrheit offengelegt – ich würde eine wahre Geschichte erzählen, versicherte ich gleich auf der ersten Seite. Einige Kritiker hatten wenig Interesse an Slobos Taten und meiner Pflicht, meinen Onkel zu rächen, viel schwerer wog in ihren Augen das Interesse der Gesellschaft, Slobo der Justiz zu überstellen, ihm einen fairen Prozess zuzubilligen. Ob ich nicht wisse, dass dies die Vereinigten Staaten von Amerika seien, ein Rechtsstaat? Ah ja! Derselbe Rechtsstaat, der Milliardären wie Abner Brown erlaubt,PACS, Lobbygruppen, und Thinktanks, die jedes beliebige rechtsextreme Ziel fördern, mit Geldströmen zu überschütten und mehr als die Hälfte der Kongressabgeordneten zu kaufen und in der Tasche zu haben. Geldströme, welche die amerikanische Politik so gründlich korrumpiert haben, dass ein dermaßen grotesk unfähiger Kandidat wie Donald J. Trump Präsident werden konnte. Eine solche Rechtsstaatlichkeit ist mir nicht gut genug. Ich bin nicht in den Krieg gezogen, um Amerika wieder großartig zu machen – ich fand es großartig genug. Ich wollte, dass Amerika wieder anständig würde, wieder ein Land, das armen Schluckern eine faire Chance gibt und sich um die Schwachen und Bedürftigen kümmert. Hätte ich nach dem Erscheinen meines Buches noch Slobo und Abner im Kopf gehabt, dann hätte ich vielleicht in dieNew York Times Book Review eine ganzseitige Anzeige gesetzt mit dem feierlichen Versprechen, Berufskiller, die in Zukunft von fanatischen Extremisten und ihren Auftraggebern ausgeschickt würden, haargenau so zu behandeln wie Slobo und seinen Boss.

Aber an nichts dergleichen dachte ich noch. Mir stand nur der schwere Schaden vor Augen, den Trumps Regierung uns im In- und Ausland zufügte. Alle Gedanken, die ich davon freihalten konnte, galten einer jungen Frau, in die ich mich bis über beide Ohren verliebt hatte: Heidi Krohn, eine unglaublich elegante, kluge Prozessanwältin. Heidi war Kerrys engste Freundin gewesen. Sie wurde meine Partnerin in dem Unternehmen, Kerry zu rächen und Abner zu zerstören. Aber von Anfang an bestimmte sie die Spielregeln. Sie finde Männer nicht physisch anziehend, warnte sie mich gleich bei unserer ersten Begegnung. Das sei nicht immer so gewesen und müsse auch nicht so bleiben, sagte sie. Darauf gaben wir uns die Hand, und im Lauf der Zeit konnte ich mit gutem Grund hoffen, dass ich diesmal meine Karten richtig ausspielte: Geduld und Nachsicht machten sich bezahlt. Schon ein paar Wochen nach Abners Tod verbrachte Heidi die Weihnachtsferien mit mir in dem Haus in Sag Harbor, das ich von meinem Onkel Harry geerbt hatte. Ich überließ ihr mein Schlafzimmer und wollte in ein Gästezimmer auf der anderen Seite des Flurs ziehen, aber sie lud mich ein, das Bett mit ihr zu teilen. Nur zum »Kuscheln«, machte sie deutlich. Seither haben wir immer gekuschelt, inzwischen ohne die Oberteile unserer Pyjamas, und ihre Bleibe an der Ecke Lexington und Eighty-Seventh Street gab sie zwar nicht auf, befand sich aber wochentags an vielen Nächten in meiner ebenfalls von meinem Onkel Harry geerbten Wohnung an der Fifth Avenue. Wenn wir beschlossen, aufs Land zu fahren, wohnte sie bei mir in Sag Harbor und besuchte ihre Eltern in deren Haus an der Further Lane in East Hampton immer nur kurz. In der Fifth Avenue deponierte sie einen guten Teil ihrer wundervollen Garderobe und die wahre Liebe ihres Lebens, eine kohlschwarze anderthalbjährige französische Bulldogge namens Satan. Der Hund sei viel besser bei mir aufgehoben, gegenüber vom Central Park, als den ganzen Tag allein in ihrer Wohnung auf den Hundesitter warten zu müssen. Ich glaube, das waren die sichersten Zeichen dafür, dass wir uns auf dem richtigen Gleis bewegten.

Der Anruf kam kurz nach elf Uhr an einem Mittwochabend. Sie war wieder einmal in...