: Louis Weinert-Wilton
: Die weiße Spinne
: MedienEdition Welsch
: 9783946554004
: 1
: CHF 2.60
:
: Erzählende Literatur
: German
: 220
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
In London geht ein Serienmörder um. Bei jedem seiner Opfer hinterlässt er eine gläserne Spinne. Insgesamt zwölf wurden dem Geschäftsmann Richard Irvine nach Hause geschickt. Bald danach fand man ihn tot, vor einen U-Bahnwaggon gestoßen. Eine dieser Spinnen hielt er in seiner Faust umklammert. Die restlichen elf waren gestohlen, eine düstere Prophezeiung des Mörders, weitere Taten zu begehen. Um dies zu verhindern beauftragt Scotland Yard Inspektor Dawson, seinen besten Mann, mit der Aufklärung des Falls. Entschlossen nimmt der erfahrene Spürhund Witterung auf. Er stößt auf Widersprüche, versucht nachzusetzen und bringt sich damit selbst in größte Gefahr ... Unkonventionelle Fahnder, geheimnisvolle Frauen, dubiose Sekretäre, einäugige und glatzköpfige Kleinkriminelle sowie ein skrupelloses Mastermind, das sich perfekt zu tarnen weiß - Spannung der Extraklasse!

Louis Weinert-Wilton ist ein Pseudonym von Alois Weinert (* 11. Mai 1875 in Weseritz/Bedruzice oder Tepl/Teplá; ? 5. September 1945 in Prag). Er war Redakteur, Dramatiker und kaufmännischer Leiter eines Prager Theaters. Zwischen 1929 und 1939 schrieb er elf Kriminalromane, mit denen er seinen Ruf als deutscher Edgar Wallace und Klassiker dieses Genres begründet hat. Seine spannungsreichen Whodunnit-Krimis haben hohe Auflagen erzielt und wurden in den sechziger Jahren verfilmt. Weinert-Wilton starb 1945 in einem tschechischen Konzentrationslager.

4


Mr. George Turner hatte an diesem Abend eben sein Theater in Picadilly betreten und war in den spärlich beleuchteten langen Gang eingebogen, der zum Stiegenaufgang führte, als er plötzlich grimmig zu spucken begann und mit ängstlichen Augen nach einem Holz Umschau hielt, auf das er klopfen könnte.

Er war als Theaterdirektor noch abergläubischer als ein altes Weib, und was er eben gesehen hatte, war ihm in die Beine gefahren.

Wie eine wilde Jagd war ihm sein erster Kapellmeister mit einem Rattenschwanz von musikbeflissenen Jünglingen über den Weg gelaufen, und er hatte die Erfahrung gemacht, daß solch eine Begegnung nichts Gutes zu bedeuten hatte. So oft sein musikalischer Stab, so zu einem Rudel geballt, aufgeregt durch das Haus fegte, gab es immer irgendeine Katastrophe, die ihn zur Verzweiflung oder wenigstens um ein hübsches Sümmchen Geld brachte.

Turner riß todesmutig die Tür zu den Büroräumen auf, in denen der rasende Schwann verschwunden war, und an sein Ohr drangen gerade noch einige Akkorde des gewaltigen Stimmenorchesters, das in allen Tonlagen aus einer dunklen aufgeregten Masse aufstieg. Bei seinem Erscheinen verstummte der ohrenbetäubende Lärm plötzlich, und er sah nur erhitzte Gesichter, langgestreckte Hälse, Arme, die verzweifelt durch die Luft fuhren und einen Wald von gesträubten Haaren aller Schattierungen.

„Da sind Sie ja, Direktor,“ quiekte eine blecherne Stimme, die wie eine Kindertrompete klang. „Eine nette Bescherung, sage ich Ihnen.“

Der erste Kapellmeister stürzte auf ihn los, und in seinen flackernden Augen lag eine ratlose Verzweiflung, die Turner auf das Schlimmste gefaßt machte.

„Miß Mariman hat eben sagen lassen, daß sie heute nicht singen kann,“ sprudelte der Dirigent aufgeregt hervor. „Jetzt — eine halbe Stunde vor Beginn der Aufführung.“

Der schwitzende Mann im Frack fuhr sich mit dem Finger zwischen Kragen und Hals und verzog das Gesicht so grausig, als ob er im Begriffe stünde, sich die Kehle zu durchschneiden.

„Sie müssen uns eine andere Amneris besorgen,“ stieß er endlich hervor.

„Den Teufel muß ich,“ fuhr ihn Turner an und schritt in sein Büro, wo er Hut und Mantel in weitem Bogen auf den nächsten Tisch warf. Er hatte jene trügerische glatte Miene aufgesetzt, die bei ihm Sturm ankündigte, und der Kapellmeister und seine Trabanten hielten vorsichtig eine gewisse Distanz, als sie hinter dem Gewaltigen dreinzogen.

„Wissen Sie, was ich tun werde?“ sagte dieser plötzlich. „Ich werde statt der Amneris einfach eine Nackttänzerin auftreten lassen. Bei Gott, das werde ich,“ schrie er, als er die gekränkten Mienen der musikalischen Gralshüter sah. „Damit das Publikum endlich einmal einen Begriff davon bekommt, welch ein verdammtes Werk ich mir mit Ihrer Oper eingewirtschaftet habe. Ich war unbedingt unzurechnungsfähig, als ich mich überreden ließ, in Kunst zu machen. Solange ich meine Revuen gab, hatte ich Geld und keine Sorgen — und nur zwei Kapellmeister,“ fügte er giftig hinzu. „Jetzt habe ich“ — er zählte das Rudel um sich mit dem Finger ab — „unberufen neun Kapellmeister, kein Geld und nur Sorgen. Und für die großen Gagen, die ich zahle, habe ich eventuell eines Abends nicht einmal eine Vorstellung. — Was ist überhaupt los?“ fuhr er den Dirigenten an. „Wo ist Miß Mariman, und warum kann sie nicht singen?“

Der Schwarm ballte sich jäh wieder zusamm