Leben wir in einer missgeleiteten Wachstumsgesellschaft?
Nach Angaben der deutschen Krebshilfe erkranken in Deutschland jährlich fast eine halbe Million Menschen neu an Krebs, und über 200000 sterben daran. Krebs ist damit Ursache jedes vierten Todesfalls in Deutschland. Angesichts dieser Zahlen leben wir offenbar in einer Gesellschaft, in der Wachstum schon fast regelmäßig auf Abwege gerät. Um die Ursachen und damit auch wirksame Therapiemöglichkeiten zu benennen, gilt es deshalb, weiter auszuholen.
Krebsartiges Big Business
Wie schon angedeutet, prägt die Ideologie grenzenlosen Wirtschaftswachstums all unsere Lebensbereiche. So wachsen Städte weltweit enorm; aus der Vogelperspektive betrachtet breiten sie sich krebsartig infiltrierend in ihre Umgebung aus. Wie Metastasen bilden sie sogenannte Schlafstädte um sich herum, die sie sich mit der Zeit gänzlich einverleiben, nur um immer neue Trabantenstädte hervorzubringen. Das Phänomen ist in Metropolen wie Mexico City, Rio, Lima oder Tokio noch viel dramatischer als in Europa, zumal bei Ersteren noch die besonders rabiat wachsende Randzone der Slums und Favelas sich ins umgebende Bauernland frisst. Auch hierzulande sind ganze Stadtlandschaften entstanden wie das Ruhrgebiet. In meiner Jugend spielte ich Handball in Esslingen, und das war damals eine eigene Stadt. Heute ist sie mit Stuttgart verwachsen, so wie Köln und Düsseldorf zusammenwachsen, obwohl deren Bewohner das gar nicht gern hören. München bildet für sich solch eine Muttergeschwulst, die ein Dorf nach dem anderen infiltrierte und schließlich eingemeindete, wie man diesen Schluckvorgang dezent nennt. Er führt immer dazu, dass die eingemeindete Ortschaft als solche (ver-)endet und allmählich das gewachsene Gemeinschaftsgefühl aus ihr entweicht. Das Wort Gemeinheit liegt da näher als Gemeinschaft und Gemeinde. Gemeinsam ist den Betroffenen nach kurzer Zeit wohl nur noch das Gefühl, des Einverleibt-worden-Seins.
Die entsprechende Doppelstrategie aus keinerlei Grenzen respektierender Infiltration und Bildung bösartiger Töchter in Gestalt der Filiae (Metastasen), lässt Krebs so besonders schnell wachsen. Sie macht es auch schwer, ihn mit den aggressiven Methoden zu bekämpfen, wie es die Schulmedizin nun schon so lange so relativ erfolglos versucht.
Bei meinem Vater, einem Manager, sah ich einmal eine Weltkarte eines Konzerns, die mich fatal an ein Ganzkörperszintigramm eines Krebskranken erinnerte. Das Mutterhaus, die ursprüngliche Fabrik, entsprach der Muttergeschwulst, die, mit der Zeit ebenfalls erheblich wachsend, ihre Umgebung infiltriert hatte. Nach und nach hat sie den Filiae entsprechend überall in Deutschland Filialen gebildet, und es gab auch Fernmetastasen in anderen Ländern und sogar Kontinenten. So wie ein Weltkonzern eben von der ersten Fabrik ausgehend neue Märkte und schon bald die Welt erobern mag, entwickelt sich ganz ähnlich Krebs. Vom Primärtumor geht die Infiltration aus; die Bildung von Metastasen reicht bis in entfernteste Körperregionen. Und jede für sich kann wieder zu einer eigenen Muttergeschwulst heranwachsen, sodass operierende Chirurgen oft die Muttergeschwulst gar nicht mehr eindeutig ausmachen können.
Wirtschaftlich angegriffen und von feindlicher Konkurrenz in Bedrängnis gebracht geben Konzerne zuerst ihre Auslandsvertretungen und Filialen wieder auf und ziehen sich in ihre Heimatzentrale zurück, von der aus sie sich manchmal umso schlagkräftiger zurückmelden. Ganz ähnlich lassen sich Krebstumore mit den Zellgiften der Chemotherapie anfangs meist in eine erste sogenannte Remission zurückdrängen. Nach Aussagen einiger US-amerikanischer Forscher erholen sie sich aber wieder aus den ursprünglich entarteten Stammzellen, die die Chemotherapie kaum je erreicht. Einige gehen heute davon aus, dass Bestrahlung und Chemo sogar »normale« Krebszellen in Stammzellen verwandeln und da