Stoffliche und soziale Echtheit
Es geht um Schein und um Sein. Und es geht nicht nur um Leder. Das Prinzip, das sich beim Unterschied zwischen Leder und Kunstleder zeigt, ist dasPrinzip der stofflichen Echtheit. Ein Ding X ist das, was es ist, weil es stofflich so beschaffen ist, die Definition von X zu erfüllen. Nur weiterverarbeitete Tierhaut ist Leder, so will es unsere Definition. Der echte Stoff eben.
Genug geledert.
Stoffliche Echtheit gilt für allerlei Dinge. Ein Diamantring mag auf dich und mich wie ein Diamantring wirken – ein echter Diamant ist es nur dann, wenn der Stein ein natürlich entstandenes Mineral ist, eine bestimmte Dichte und Härte aufweist, seltene optische Eigenschaften verkörpert und so weiter. Strass, also kunstvoll geschliffenes Glas, kann für Laien aussehen wie Diamant.
Oder denken wir an Gold. Gold ist nur dann Gold, wenn es die von uns anerkannten Gold-Eigenschaften besitzt – also nicht nur die typische Farbe, sondern einen Schmelzpunkt bei 1064 °C usw. Es ist bekanntlich nicht alles Gold, was glänzt (es gibt eine eigene Debatte in der Philosophie, ob das, was wir auf fremden Planeten für Wasser halten, tatsächlich Wasser ist und warum).
Als ersten Punkt können wir festhalten: Zwischen »echt« und »unecht« besteht eineÄhnlichkeitsbeziehung. Wenn wir ein Ding X (fälschlicherweise) für ein Ding Y halten, dann deswegen, weil zwischen Ding X und Ding Y eine augenscheinliche Ähnlichkeit besteht. Diese Ähnlichkeitsbeziehung bedingt die Verwechslungsgefahr. Wir verwechseln z. B. Plastikpflanzen mit echten Pflanzen. Weil sie sich ähnlich sehen und weil sie sich ähnlich sehen sollen. Dinge, die sich nicht ähnlich sehen, verwechseln wir nicht (z. B. verwechselt niemand einen Schlüsselbund mit einem Stuhl oder eine Waschmaschine mit einem Zeppelin). Doch: Schein und Sein liegen bisweilen nah beieinander.
Auf der Suche nach dem Wesen der Echtheit stellen wir fest: Optische Ähnlichkeit reicht allein nicht aus. Was echt aussieht, ist es nicht unbedingt auch.
Diese Einsicht ist weniger trivial, als man vielleicht meint. Immerhin beurteilen wir sehr vieles im Leben erst mal nach dem Aussehen. Man soll aber ein Buch nie nur nach seinem Umschlag bewerten – das kann bitteres Erwachen bedeuten, wenn der Schein trügt.
Jenseits stofflicher Echtheit gibt es weitere wichtige Fälle von Echtheit und Unechtheit. Fälle, in denen die rein physische Beschaffenheitnicht ausschlaggebend