»Stambul mit allen seinen Seevorstädten und Seestraßen«
Selçuk war ein Penner. Ich lernte ihn auf der Galata-Brücke kennen, in einer Teestube im unteren Brückengeschoss. Er verbrachte dort die Sommer und schnorrte Touristen an. Im Winter war er Wächter einer Villa auf Büyük Ada, der größten der Prinzeninseln im Marmarameer, acht Seemeilen vor İstanbul gelegen.
Genervt von der Hitze, dem Verkehr und meiner überlauten Freundin Sezer, hatte ich mich in diese Teestube zurückgezogen, in ihre dunkelste Ecke, und einenşekersiz çay – einen Tee ohne Zucker – bestellt. Er saß auf einem Karton am Eingang und fiel mir sofort auf. Wie konnte man abgerissen und elegant zugleich aussehen? Selçuk schaffte das. Er war groß, hager, um die fünfzig, dachte ich, als er auf mich zukam und mich fragte – es war nicht unangenehm wie sonst in solchen Situationen –, ob er von Diensten sein könne. Er gehörte zur Kaste der gebildeten Penner. Er sprach leidlich Englisch und war der Erste, der mich auf die Dichter Orhan Veli Kanık und Oktay Rıfat hinwies, wofür ich ihm noch heute dankbar bin. Ich bestellte ihm einen Tee und, das wünschte er sich,lokum, jene in gesiebtem Puderzucker gewälzten Gelatinewürfel, die nach müdem Haarwasser schm