: Frido Mann
: Mein Nidden
: mareverlag
: 9783866483620
: Meine Insel
: 1
: CHF 7.80
:
: Europa
: German
: 160
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'Wie auf einem Schiff' fühlte sich Thomas Mann in seinem Niddener Ferienhaus. Und in der Tat können die drei Sommer 1930-1932, welche die Manns im Fischerdorf Nidden auf der Kurischen Nehrung verlebten, einer schmalen Halbinsel zwischen Ostsee und Kurischem Haff, als eine Art Vor-Exil gelten, bevor die Familie über den Ozean nach Amerika emigrierte. Zwei Generationen später entdeckt nun Frido Mann, der Enkel Thomas Manns, bei zahlreichen Besuchen sein Nidden: Dabei wandelt er nicht nur auf den Spuren seiner Vorfahren, sondern zeichnet auch die wechselvolle Geschichte der Kurischen Nehrung im 20. Jahrhundert nach - hin- und hergerissen zwischen Deutschem Reich, Sowjetherrschaft und der Unabhängigkeit Litauens. Mit Neugier, Empathie und Weitblick wirkt Frido Mann an der Zukunft des Niddener Hauses als eines Zentrums für interkulturellen Austausch mit. Nicht zuletzt entwirft er in seinem Buch ein eindrucksvolles Bild der überwältigenden Natur mit ihrer Mischung aus nördlichem und südlichem Charme und einem Himmel, der sich in fast endlosen Blautönen über dem Haff und der 'europäischen Sahara' - dem berühmten Wanderdünenfeld - erstreckt.

Frido Mann, geboren 1940 in Monterey/Kalifornien, arbeitete nach dem Studium der Musik, der Katholischen Theologie und der Psychologie viele Jahre als klinischer Psychologe in Münster, Leipzig und Prag. Er lebt heute als freier Schriftsteller in München.

Der mediterrane nordöstlichste Zipfel Ostpreußens


Die Kurische Nehrung ist so merkwürdig, dass man sie eigentlich ebensogut als Spanien oder Italien gesehen haben muss, wenn einem nicht ein wunderbares Bild in der Seele fehlen soll. Ein schmaler Strich toten Sandes, an dem das Meer unaufhörlich an einer Seite anwütet, und den an der anderen eine ruhige große Wasserfläche, das Haff, bespült.

Wilhelm von Humboldt, 1809

Ein bisschen sitzt mir der Schreck noch in den Gliedern. Nur ungern bin ich in Hamburg-Fuhlsbüttel über die aus dem Flugzeugbauch ausgelassene kurze Treppe in das Hinterteil der winzigen sowjetischen Yakovlev YAK 40 der Air Lithuania gekrochen und habe mich dann gebückt durch die enge Kabine zu meinem Sitz begeben. Gleich nach dem Abheben hatte die Maschine Schwierigkeiten, die richtige Flughöhe zu erreichen, mit stotterndem Motor sackte sie wiederholt ab. Mein Sitznachbar und ich blickten uns beklommen an, bis die endgültige Flughöhe erreicht war und wir in ausreichender Sicherheit über den Wolken flogen. Nach einer Stunde Flugzeit unter dem immer mehr aufklarenden Himmel über der Ostsee und einigen dänischen Inseln bereitet der Pilot jetzt langsam seinen Anflug auf den litauischen Flughafen Palanga vor.

Die mit etwa 30 Sitzen ausgestattete Maschine ist nur halb besetzt. Ein kleiner Teil sind deutsche Touristen. Ansonsten sind es vermutlich Litauer, darunter auffallend viele junge, ziemlich grell geschminkte Mädchen mit ausdruckslosem Gesicht, die aussehen wie eine Gruppe heimkehrender Models. Eben hat die Stewardess damit begonnen, die abgegessenen Tabletts und die leeren Flaschen mit österreichischem Exportbier von den wackligen, bei jeder Bewegung des Vordermannes fast umkippenden Klappt