»Da die Quellen früherer Autoren sich wie immer widersprechen, muss ich Ungenauigkeiten korrigieren. Hier also mein versprochener Artikel. Meiner Rolle als Reisender gemäß, will ich vorneweg eindeutig erklären, dass mein Bericht unbestreitbar weit besser ist als alle vorherigen.«
Als ich das Haus am Mühlturm sah, wusste ich: Das isses. Und als mich auf der Dachterrasse die geradezuirrwitzige 360-Grad-Rundumsicht gefangen nahm, war’s vollends um mich geschehen.
Ich hatte den Maklern von Inca bis Santa Maria gesagt: Irgendwas zur Miete – Hauptsache, Fernblick. Hier nun standen drei Mühltürme auf einem Hügel am Ortsrand; am höchsten davon war ein Haus angebaut. Schon der Weg über den schrägen, krumm belegten Hof, vorbei an einem drei Meter hohen Kaktus an einem alten Brunnen, vorbei an einer ausgewachsenen Palme an der Treppe, einem uralten runden Schuppen am Felsen und einem mächtigen Feigenbaum, rührte mich an. Und dann mein Traum: Das große Wohnzimmerfenster wirkte wie ein Triptychon mit seinem Blick auf die Tramuntana – von den Bergen bei Valldemossa im Westen bis zur Halbinsel Formentor im Nordosten.
Von mir aus im Norden, in der Mitte des gerade zum Weltkulturerbe erklärten Gebirges, beeindruckten mich zwei gewaltige Felsen; sie sind wie Backenzähne geformt, ich taufte sie Goliath und Atlas. In der Walpurgisnacht, am 30. April zum Tanz in den Mai, spannen die Hexen ein Seil zwischen ihnen, auf dem sie herumlaufen und tanzen. Der linke Zahn trägt die legendäre Burg von Alaró, wo die größten Helden der Insel, Guillem Bassa und Guillem Cabrit, auf Bratspießen zu Tode geröstet wurden. Nachdem das Königreich Mallorca gegen Ende des 13. Jahrhunderts von Alfons II., dem Neffen vom Jaume II., in wenigen Tagen erobert worden war, hatten die beiden »Wilhelms« den Widerstand angeführt und sich noch zwei Jahre lang auf der Burg gehalten.<