: Ulrike Stutzky, Anton Vogel, Monika Grasl, Geli Grimm, Alvar Borgan, Daniel Stögerer, Udo Brückmann,
: Jana Hoffhenke
: Der Schatten des Schwarzen Todes 13 Pestgeschichten
: Burgenwelt Verlag
: 9783943531831
: 1
: CHF 4.30
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 242
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
»Sie sagen, dass der Tod kommt, zu allen Menschen, ob arm oder reich, Kinder sterben ebenso wie Greise.« Das Wort »Pest« ist ein Schreckgespenst - ein Mahnmal dafür, dass der Mensch nicht unbesiegbar ist. Die schiere Auslöschungswut dieser Seuche jagt uns bis heute einen Schauer über den Rücken. Manch einer sah die Pest damals gar als diabolisches Wesen, auf die Erde gesandt, um die Sünder zu strafen. Viele traten der Pest mutig entgegen. Heiler, Priester, Quacksalber, Kräuterkundige, Bader und andere versuchten, ein Heilmittel zu finden - einige davon mit eher zweifelhaften Methoden. Pestheilige wurden angefleht und der Handel mit Schutzamuletten blühte. Unzählige Menschen starben, anderen konnte die Seuche auf wundersame Weise nichts anhaben. Diese 13 hier zusammengetragenen Pest-Geschichten offenbaren den ganzen Schrecken des Schwarzen Todes!

Mit Geschichten von: Alvar Borgan * Tanja Brink * Udo Brückmann * Nina Casement * Anna Eichenbach * Sabine Frambach * Monika Grasl * Geli Grimm * Erik Huyoff * Olaf Lahayne * Daniel Stögerer * Ulrike Stutzky * Anton Vogel Herausgegeben von Regine D. Ritter und Jana Hoffhenke

Die Melodie des Totensammlers – Sabine Frambach

 

Es liegt an den Winden, Graf. Die Winde. Sie kommen über das Meer aus Indien; wohin diese verdorbenen Winde gelangen, sterben die Menschen. Haltet die Läden geschlossen, besonders in Richtung Süden.«

Der Graf zog die Decke, mit der er seinen alternden Leib umwickelt hatte, hoch bis zum Mund. »Sie sagen, dass der Tod kommt, zu allen Menschen, ob arm oder reich, Kinder sterben ebenso wie Greise.« Seine Finger umklammerten den Stoff. »Ich will nicht sterben.«

»Ich bin ja hier, Graf. Sagt den Mädchen, dass sie die Läden nach Süden geschlossen halten sollen. Morgen werde ich wieder nach Euch sehen.«

 

Johannes verließ den Grafen, nachdem er für seinen ärztlichen Rat den Lohn erhalten hatte. Ein guter Verdienst, wie gewöhnlich. Die Furcht zu erkranken trieb den Grafen seit Jahren dazu, wöchentlich nach ihm rufen zu lassen, obwohl er äußerst gesund war. Seit der Schwarze Tod die ersten Opfer gefordert hatte, bangte der Graf umso mehr und fragte ihn täglich um Rat. Die Münzen steckte Johannes gerne ein, wusste aber bald nicht mehr, was er dem Grafen noch empfehlen konnte. Er hatte ihm Heilsteine in Wasser unter das Bett geschoben, getrockneten Rosmarin über die Türen hängen lassen, ihm angeraten, sich warm zu halten und wegen des Raureifes keine Spaziergänge bis zur dritten Stunde nach Mitternacht zu unternehmen. Der Graf war nicht gesünder geworden, aber er war auch nicht erkrankt.

Johannes konnte das Geld gut gebrauchen. Lieber kümmerte er sich allerdings um wirklich kranke Menschen, um jene, die schwach waren und durch ihn gesundeten. Nicht der Kopf, die Hände machen den Heiler, das wusste Johannes. Eben diese Hände nutzte er, ließ die Patienten zur Ader, dass der schädliche Saft aus ihnen fließe, mischte ihnen Salben und legte Verbände an. Was er nicht tat, war das Schneiden. Das überließ er den Dentisten, Wundärzten und Steinschneidern. Johannes mochte die Vorstellung nicht, in einen Menschen hinein zu schauen. Es kam ihm falsch vor; was die Natur verborgen hielt, sollte der Mensch nicht offenlegen. Er betrachtete den Menschen von außen, roch an ihrem Atem, schaute nach der Farbe ihres Wassers und verordnete die richtige Pflege.

Diese Krankheit, die aus dem Süden zu ihnen gekommen war, konnte er nicht begreifen, was er nicht begriff, konnte er nicht behandeln. Wie schnell es ging; jeden Tag hörte er von neuen Kranken. Von Toten. Die Erkrankung blieb ein dunkles Rätsel, doch helfen wollte er, wie er immer half. Fassungslos bemerkte er, wie schnell andere Menschen aus Angst ihre Pflichten vergaßen. Geistliche verweigerten die Salbung der Kranken, Heilkundige verschwanden über Nacht. Auch die Toten zu bestatten wurde schwieriger; kaum einer wollte sie einsammeln, zum Friedhof begleiten, für sie beten und sie in ein Grab legen.

Johannes, entschlossen, weiterhin seine Pflicht zu tun, suchte auf dem Weg eine Familie auf, die er schon Jahre betreute. Deren Nachbar hatte ihm Bescheid gegeben. Das jüngste Kind des Wagenbauers, Sophie, war krank. Johannes kannte das Mädchen, seit es auf der Welt war, ein freundliches Kind mit stillem Gemüt und abstehenden Haaren. Als er zur Hütte kam, stand die Tür offen. Er klopfte. Die letzten Male hatten ihn die älteren Geschwister bereits an der Tür begrüßt, ihn umringt und an seinen Händen gezogen.