: Krishna Baldev Vaid
: Tagebuch eines Dienstmädchens Roman
: Unionsverlag
: 9783293308251
: 1
: CHF 10.10
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 304
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Shano ist jung und ungebildet, aber nicht auf den Kopf gefallen. Als Dienstmädchen erledigt sie in mehreren wohlhabenden Haushalten eines Bezirks in Delhi die Hausarbeit. Eines Tages wird sie von einer ihrer Dienstherrinnen mit Heft und Füller ausgerüstet und zum Schreiben aufgefordert. Das so entstehende Tagebuch sprüht vor Witz, Scharfsinn und erzählerischer Brillanz. Mit treffsicherem Spott beschreibt Shano das Leben, Lieben und Leiden ihrer reichen Arbeitgeber, durchleuchtet Machtverhältnisse und denkt über ihre eigenen Träume, Hoffnungen und Ängste und über das Schreiben nach.

Krishna Baldev Vaid, geboren 1927 in Dinga im heutigen Pakistan, flüchtete mit seiner Familie im Zuge der Teilung Indiens 1947 nach Neu-Delhi. Er studierte Englische Literatur in Indien und den USA. Später lehrte er neben seiner Tätigkeit als Schriftsteller an verschiedenen Universitäten, unter anderem in New York. Sein Werk weckt immer wieder konservative Proteste.

Für alle arbeitenden Frauen,

in denen ich Shano wiedererkenne.

Ma sagt, Sahibs und Memsahibs sind von Natur aus bösartig. Trau keinem von ihnen!, sagt sie, sie kennen kein Mitleid mit uns. Glaub nie, was sie sagen! Ma hat ihr Leben lang die Töpfe anderer Leute geschrubbt. Darüber ist sie alt geworden. Sie tut mir leid. Aber ich bin auch wütend auf sie. Auf Bapu allerdings noch mehr. Ohne Ma wären wir alle längst tot. Bapu eingeschlossen. Er ist seit einer Ewigkeit krank und hat keinen Job. Ma sagt, jetzt ist er krank, aber der Nichtsnutz hatte nie was anderes im Kopf, als wie er an die nächste Flasche Schnaps kommt. Inzwischen kann Bapu kaum noch was essen oder trinken. Er behält nichts mehr bei sich. Seine Leber ist hin. Soll er doch krepieren!, sagt Ma, lieber heute als morgen. Und dann fängt sie an zu weinen. Bapu tut mir leid, aber ich bin auch wütend auf ihn. Ma jagt mir manchmal Angst ein, aber wenn sie Bapu beschimpft, werde ich wütend. Auf mich selbst bin ich auch oft wütend. Manchmal könnte ich mich vor Wut in Stücke reißen. Ma sagt, Mädchen sollten nicht so wütend werden. Schau mich an, sagt sie, was ich alles durchgemacht habe! Tagein, tagaus muss ich mir den Schwachsinn deines Vaters anhören und anderer Leute Töpfe schrubben. Darüber bin ich alt geworden.

Ich werde auch für andere Leute schuften, bis ich alt bin. Wie Ma. Und meine Kinder auch. Und ich werde jemanden heiraten, der wie Bapu krank und arbeitslos ist. Warum denke ich das eigentlich? Ich will gar keine Kinder, und heiraten will ich auch nicht. Wie willst du das denn verhindern, sagt Ma, alle Frauen kriegen Kinder, das ist unser Schicksal. Schicksal! Karma! Ich brauche dieses Zeug nicht. Du bist doch verrückt!, sagt Ma. Wenn ich es noch nicht bin, dann werde ich es bald. Ich muss mit dieser Arbeit aufhören. Ich hätte die Schule nicht abbrechen sollen. Dann hätte ich die zehnte Klasse schon längst fertig. Und was dann? Dann wäre ich ein Dienstmädchen mit Schulabschluss. Jetzt bin ich ein Dienstmädchen, das die achte Klasse abgebrochen hat. Ich werde ewig Töpfe schrubben und darüber alt werden wie Ma. Aber heiraten werde ich nicht. Und auch keine Kinder bekommen. Ich bin modern. Ein modernes Dienstmädchen. Jetzt muss ich gleichzeitig lachen und weinen.

Als ich heute bei der fetten Memsahib Staub gewischt habe, hat sie wieder mit mir gemeckert: Sag mal, woher nehmen Leute wie ihr eigentlich diese Energie? Liegt das an eurer Ernährung? Willst du denn alles kaputt machen! Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du nicht so hetzen sollst! Aber du schmeißt hier mit den Sachen rum! Und auch noch mit dem teuren Porzellan! Was hast du eigentlich im Kopf? Hirn oder Stroh?

Die Fette meckert ohne Pause. Ich hätte Lust, sie mal richtig anzuschreien. In Gedanken tue ich das auch. Irgendwann schleuder ich ihr noch den Staublappen ins Gesicht! Ma versucht, mich zu beruhigen: Wenn sie so gerne an dir rummäkelt, dann lass sie doch! Bleib ruhig und mach deine Arbeit. Sobald du ein anderes Haus findest, h