Die Geschichte von Arthur Pendennis
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William Makepeace Thackeray
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Die Geschichte von Arthur Pendennis
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Red Ediciones
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9783957189639
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1
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CHF 2.70
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Erzählende Literatur
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German
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869
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kein Kopierschutz
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PC/MAC/eReader/Tablet
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ePUB
Arthur Pendennis, von seinen Freunden nur Pen genannt, wächst gemeinsam mit seiner Ziehschwester und seiner verwitweten Mutter im beschaulichen Fairoaks auf, wo die Familie ein kleines Gut besitzt, dessen Erträge zwar ein auskömmliches Leben ermöglichen, doch dass der junge Mann einst ein kleines Vermögen erben wird, ist nichts weiter als ein Gerücht. Dieses Gerücht ist jedoch die Ursache für Pens erste große Prüfung im Leben, denn Captain Costigan, ein irischer Soldat auf Halbsold, der ständig betrunken ist und in Geldnot steckt, gedenkt seine Tochter Emily, eine Theaterschauspielerin, mit dem zehn Jahre jüngeren Pen zu verheiraten, um ihr, oder vielmehr sich selbst, ein Leben in Wohlstand zu ermöglichen. Pens Mutter ist entsetzt, hat sie doch all die Jahre gehofft und darauf hingearbeitet, dass ihr Sohn einst ihre Pflegetochter Laura heiratet. Doch Pen ist besessen von der Schauspielerin, die zwar hübsch ist, jedoch so viele Fehler und Charakterschwächen besitzt, dass man schon sehr unter der sprichwörtlichen, von der Liebe auf die Augen ausgeübten Wirkung leiden muss, um sie zu übersehen. In ihrer Verzweiflung schreibt sie an Major Pendennis, Pens Onkel, ein Gentleman, der in den höchsten Londoner Kreisen verkehrt, obwohl er nur eine bescheidene Pension bezieht. Widerwillig reist der Major von London nach Fairoaks, um seinen Neffen von seinen Irrwegen abzubringen. Die Ankunft des Majors ist der Auftakt einer turbulenten Lebensgeschichte in bester Thackeray-Manier, in deren Verlauf Pen nicht nur mit seinem Verwandten zu kämpfen hat, sondern auch mit der Liebe, seiner Karriere, dem Londoner Gesellschaftsleben und allerlei skurrilen und schillernden Persönlichkeiten, der Universität, einem Familiengeheimnis, Verschuldung, Erpressung und Verbrechern ... Der für seine beißende Satire gefeierte Thackeray, dessen Gesellschaftsportrait 'Jahrmarkt der Eitelkeiten' 2015 von einer Fachjury zu einem der bedeutendsten britischen Romane gekürt wurde, spart auch in 'Pendennis' nicht mit Sarkasmus und augenzwinkerndem Humor und beweist einmal mehr, mit welchem Scharfblick er die Menschen und ihre Beweggründe, ihre Schwächen, Torheiten und ihre Doppelmoral zu entlarven verstand.
1. Kapitel.
Welches zeigt, wie eine erste Liebe jemandem sein Frühstück stören kann.
Eines schönen Morgens, mitten in der Londoner Saison, kam Major Arthur Pendennis aus seiner Wohnung herüber, um nach seiner Gewohnheit in einem gewissen Klub in Pall Mall, von dem er eine Hauptzierde war, sein Frühstück einzunehmen. Da er einer der besten Weinkenner Englands und ein Mann von tätigem, Achtung gebietendem und wißbegierigem Wesen war, war er sehr bald zum Mitglied des leitenden Ausschusses dieses Klubs gewählt worden und war in der Tat beinahe der Leiter der Institution, und der Steward mit seinen Kellnern verneigte sich vor ihm so tief wie vor einem Herzog oder Feldmarschall.
Der Major erschien beständig um viertel nach zehn Uhr im Klub. Er trug die glänzendsten und schwärzesten Stiefel in ganz London, eine karierte Morgenkrawatte, an der sich bis zur Essenszeit nirgends ein Fältchen aufspüren ließ, eine hellgelbe Weste, die die Krone seines Landesherrn auf den Knöpfen trug, und so tadelloses Leinenzeug, daß Mr. Brummell
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persönlich nach dem Namen seiner Wäscherin gefragt hatte und sie höchstwahrscheinlich beschäftigt haben würde, hätte nicht ein Mißgeschick diesen großen Mann gezwungen, aus dem Land zu fliehen. Pendennis’ Rock, seine weißen Handschuhe, sein Backenbart, selbst sein Rohrstock waren in ihrer Art vollkommene Beispiele des Kostüms eines alten Militärs auf Halbsold. Aus der Ferne oder wenn man nur seinen Rücken sah, hätte man ihn für nicht älter als dreißig Jahre gehalten; erst bei näherer Betrachtung sah man die künstliche Natur seines vollen braunen Haares und daß sich um die etwas matten Augen seines hübsch rot gesprenkelten Gesichts einige Krähenfüße befanden. Seine Nase war ein Exemplar à la Wellington, seine Hände und Manschetten waren wunderschön lang und weiß. An den letzteren trug er niedliche Goldknöpfchen, ein Geschenk Seiner Königlichen Hoheit des Herzogs von York, und an den ersteren mehr als einen eleganten Ring, von denen der größte und augenfälligste mit dem berühmten Pendennis-Wappen geschmückt war.
Er nahm stets von ein und demselben Tisch in ein und derselben Ecke des Zimmers Besitz, und niemand dachte nun jemals noch daran, ihn von dort zu verdrängen. Ein- oder zweimal war es in früherer Zeit allerdings vorgekommen, daß ein paar tolle Spaßvögel und wilde Burschen es in ihrer närrischen Laune oder aus Prahlerei unternommen hatten, ihn dieses Platzes zu berauben; doch des Majors Gesicht und Haltung zeigte einen solchen ruhigen Ernst und eine solche Würde, als er sich an den nächsten Tisch setzte und die Eindringlinge mit ernsten Blicken maß, daß es geradezu unmöglich wurde, sitzenzubleiben und unter seinen Augen zu frühstücken, und jener Tisch – beim Feuer und doch dem Fenster nahe – wurde sein eigen. Hier legte man in der Erwartung seiner Ankunft die Briefe hin, die für ihn abgegeben worden waren, und groß war die Zahl der jungen Herren, die mit Verwunderung auf die Anzahl dieser Billetts und auf die Siegel und das Franko, das sie trugen, blickten. Wenn sich irgendeine Frage stellte über Etikette, gesellschaftliche Vorkommnisse, wer mit wem verheiratet war, von welchem Alter dieser oder jener Herzog sei, dann war Pendennis der Mann, an den man sich wandte. Gräfinnen und Baronessen pflegten vor dem Klub vorzufahren und Billetts für ihn zurückzulassen oder ihn heraus zu bitten. Er war vollkommen leutselig und gefällig; die jungen Leute liebten es, mit ihm im Park spazieren zu gehen oder Pall Mall auf und ab zu wandeln, denn er griff sich vor jedermann grüßend an den Hut, und jeder zweite Mann, den er grüßte, war ein Lord.
Der Major setzte sich an jenem Tag an seinen gewohnten Tisch, und während die Kellner gingen, um ihm seinen Toast und seine frisch gebügelte Zeitung zu bringen, überblickte er seine Briefe durch seine goldene Doppellorgnette. Er handhabte sie derart geschickt, daß man kaum bemerkt hätte, daß es sich um eine verkappte Brille handelte, und untersuchte eines der hübschen Billetts nach dem anderen und legte sie dann ordentlich zusammen. Es fanden sich große, feierliche Einladungen, die dreigängige Diners und ernste Konversation ankündigten, nette, kleine, zutrauliche Billetts von Frauenhand, die ihm irgendeine Bitte ans Herz legten, ein Brief auf dickem Papier, wie man es in Kanzleien verwendet, vom Marquis von Steyne, der ihn aufforderte, nach Richmond zu einer kleinen Feier im Gasthaus zum Hosenband zu kommen und dort Französisch zu sprechen, welche Sprache der M