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1 Europa in meinem Herzen. Über meine Wurzeln
1940
Hintere Reihe von links: Ruth Alger (meine Tante), Esther MacDonald (meine Mutter), Adina MacDonald (meine Großmutter), Thomas MacDonald (mein Großvater), ich Vordere Reihe von links: Fred Davis (mein Urgroßvater), Bessie Davis (meine Urgroßmutter), Crissy MacDonald (meine Stief-Urgroßmutter), William MacDonald (mein Urgroßvater)
Kriegsjahre
Ich erblickte das Licht der Welt in dem Jahr, in dem in Europa der Zweite Weltkrieg ausbrach: 1939. Meine frühe Kindheit war also geprägt von Bildern und Geräuschen, die typisch sind, wenn Nationen miteinander in Konflikt geraten: Soldaten in Uniform an beinahe jeder Straßenecke, Treibstoff- und Lebensmittelrationierung für die gesamte Zivilbevölkerung, nächtliche Luftschutzübungen in allen Groß- und Kleinstädten und stündliche Nachrichten über den Fortgang der Kämpfe.
Hasserfüllt war der Ton, wenn die Menschen der Krieg führenden Länder über ihre Widersacher sprachen. Sie jubelten, wenn sie hörten, dass bei gegnerischen Nationen Städte in Flammen standen. Und sie gingen – ohne groß nachzudenken – davon aus, dass Gott auf ihrer Seite stand, wenn die Armeen gegeneinander kämpften.
Selbst als kleiner Junge stutzte ich, wenn ich ältere Menschen – Christen wohlgemerkt – sagen hörte, dass Gott die Sache unseres Landes unterstütze und unsere Feinde richten werde. Meine Verwirrung wurde auch nicht gerade kleiner, als wir in der Kirche ein einfaches kleines Lied mit etwa diesen Worten sangen:
Jesus liebt die kleinen Kinder,
alle Kinder auf der Welt.
Alle Farben hat er gern,
sie sind wertvoll für den Herrn.
Jesus liebt die kleinen Kinder auf der Welt.
Wenn Jesus alle Kinder auf der Welt liebt, so fragte ich meine Lehrer, warum sollte er dann manche beschützen und andere vernachlässigen? Warum gab es so viel Leid? Warum mussten so viele ihr Leben lassen? Warum diese Zerstörung? Ich merkte jedoch schon sehr früh, dass die Erwachsenen für meine Fragen kein offenes Ohr hatten.
Aus diesen Kriegsjahren sind mir die Sonntagabende noch besonders stark in Erinnerung. Unser Pastor verlas da vor der Gemeinde immer die Liste der letzten Opfer. Ich hörte die Namen von Vätern, Söhnen, Brüdern und Freunden aus unserer Kirche und der Nachbarschaft. Manche auf der Liste waren Kriegsgefangene, manche waren vermisst – vermutlich für immer. Andere waren schwer verwundet und wurden in Militärkrankenhäusern behandelt. Und schließlich standen auf der Liste des Pastors die Namen der Gefallenen. Sie würden nie mehr heimkehren.
Bei jedem Namen rang die ganze Gemeinde nach Atem. Dann folgten Tränen, Zornesrufe und lautes, manchmal gar hysterisches Wehklagen.
Selbst als kleiner Junge i