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Die Nationalhelden Che Guevara, Camilo CIenfiegos und Julio Antonio Mella verewigt auf einem »mural«
TYPISCH
KUBA IST EINE REISE WERT!
Kuba ist einzigartig. Ein oft kafkaeskes Land im Wandel wie kein anderes. Eine Zeitreise. Hier mischen sich Stolz und Leidenschaft mit Apathie, Nostalgie und Galgenhumor. Glanz und Gloria mit Bilderbuchstränden und Ruinen. Für manchen ist es Liebe auf den ersten Blick.
MARTINA MIETHIG
Die Autorin ist ausgebildete Journalistin (www.GeckoStories.com) und schreibt Reiseführer sowie Reportagen für überregionale Zeitungen und Magazine auch über ihre zweite Heimat: Kuba. Auf der Karibikinsel hat die Berlinerin seit mehr als zehn Jahren Familie, und –claro que sí – natürlich tanzt sie Salsa und kennt sich aus im »Socialismo tropical«.
Der Bus fährt schnaufend los. Hineingequetscht haben sich drei Mal mehr Fahrgäste als erlaubt – wie die Sardinen. Unbekümmert steckt ein kaum hüfthoher Knirps seine Nase durch den Spalt der kapitulierenden Tür, er spitzt die Lippen und schickt der Blondine am Straßenrand einen Schmatzer durch die tropisch schwüle Luft. Unser Mann in Havanna? Noch nicht ganz, aber früh übt sich!
Als ich 1998 das erste Mal nach Kuba reiste – in ein Land, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein schien –, kam ich aus dem Staunen kaum heraus: über die Sinnlichkeit in Havanna, dieser vor sich hinbröckelnden Karibikmetropole. Über die höflich gereichten Hände beim Aussteigen aus den klapprigen 59er-Chevrolets mit ihren voluminös-tiefen Ledersitzen. Über das »ay, mi amor …«, mit dem mich selbst die Frau in der Telefonzentrale mangels Verbindung zu trösten versuchte, ebenso wie die Frau vom Gemeindebüro(poder popular) – weil sie nicht sagen konnte, wann es endlich wieder Strom gibt. Über ein maßlos stolzes Volk umgeben von Mangel bei seinem alltäglichen Guerillakampf und Schlangestehen, das sich mit altertümlich oder exotisch anmutenden und zumeist illegalen Nebenjobs über Wasser hält – trotz aller sozialistischen Hürden. Zum Beispiel als Haareinkäufer oder Liebesbriefeschreiber, ja wirklich.
Die kubanischen Männer sind berüchtigt für ihre Komplimente(piropos): mal laut hinterhergerufen oder hingezischelt, mal voller Poesie und verbaler Blumensträuße, mal witzig, vulgär oder mit derart revolutionärem Pathos, dass sie selbst Che Guevara zum Leben erwecken könnten.
Und nirgendwo scheinen die Klischees die Wirklichkeit mehr übertrumpfen zu wollen als in Havanna. Musik schallt aus jedem noch so einsturzgefährdeten Hauseingang, bei Tag und Nacht, vor allem die erbarmungslos schnulzigen Latinoschlager, außerdem romantische Boleros oder provokant-agressiver Reggaeton.
Musik und Rum, Galgenhumor – und die Dollars der Millionen verwandten Auslandskubaner helfen den elf Millionen Daheimgebliebenen, ihren Alltag weiterhin zu ertragen. Nicht jeder kann seine Sorgen einfach beim Salsatanzen vergessen, auch wenn alle Welt zu wissen meint: »Die Kubaner habens im Blut.«
Nehmen wir Rubén, zweifellos ein typischer Kubaner. Einer, der mit Schwarzmarktgeschäften sein offizielles 700-Peso-Monatsgehalt (24 Euro) aufstocken muss, um seinen Kindern in der Fast-Food-Kette Rápido einen real existierenden Hamburger und eine kubanische Tropi-Cola bieten zu können – für die Hälfte des monatlichen Gehalts und bis vor Kurzem groteskerweise zahlbar in der Ausländerwährung CUC. Der selbst am liebstenmoros ycristianos, Reis mit schwarzen Bohnen und viel Schweinefleisch, isst, den Zucker mit Kaffee (!) trinkt und der