Kapitel 2
Obwohl Lizzie in ihrem Leben oft den Tod gesehen hatte, hatte sie noch nie einen Menschen sterben sehen. Sie legte die Hand an die blutige, glatte Wange des Soldaten, der vor ihr lag. Er war noch ein Junge, höchstens 13 Jahre, nicht einmal halb so alt wie sie. Als er seinen letzten mühsamen Atemzug machte, erschien es ihr, als ob der Himmel ihn, ähnlich wie das Meer bei Ebbe, in sein himmlisches Zuhause zog. Aber seine letzten Worte, die er mit einer solchen Dringlichkeit geflüstert hatte, schnürten ihr vor Schmerz die Kehle zu. Das Knallen der Artilleriegeschosse und das Krachen der Kanonengeschütze erschütterten die Luft um sie herum und es hörte und fühlte sich an, als wäre das Ende der Welt gekommen.
Sie schaute wieder in das Gesicht des Jungen und sah, dass es im Tod immer blasser wurde. Obwohl es ihr noch mehr das Herz brach, überlegte sie schmerzhaft, wie sie mit seinen letzten Worten umgehen sollte. Wenn sie vielleicht erfahren könnte, wo er …
Scharfe Befehle ertönten aus der Eingangshalle. Sie drehte sich um und sah, dass Sanitäter noch mehr Verwundete auf Tragen ins Haus brachten. Die Verwundeten lagen bereits im großen Salon und im Büro auf der anderen Seite des Flurs. Ihr Stöhnen und ihre Schmerzensschreie zehrten an ihr.
Wie konnten diese Männer mit so schwer verletzten Körpern, die von der Artillerie und dem Gewehrfeuer zerschmettert worden waren, immer noch atmen? Sie waren von Gewehren, Stiefeln, Knüppeln, Meißeln und Bajonetten getroffen worden. Die meisten hielten sich die Seite oder den Bauch, andere hielten sich den Kopf. Ein Mann saß in einem Sessel und beugte sich stöhnend vor, während er seinen Arm fest auf seine Brust drückte. Bei genauerem Hinsehen stellte Lizzie fest, dass das Körperglied, das er so krampfhaft festhielt, völlig zerfetzt war. Sie schluckte schwer. Sie war normalerweise nicht der Typ, der in Ohnmacht fiel oder gar bewusstlos wurde. Trotzdem klammerte sie sich an die Kante eines kleinen Tisches, da sie einen festen Halt brauchte.
Vor dem beißenden Geruch von Schießpulver, Rauch und Blut gab es kein Entkommen, genauso wenig wie vor den Gerüchen nach Schweiß und ungewaschenen Körpern. Soldaten riefen nach ihrer Mutter, nach ihrer Freundin, nach einem Schluck Wasser. Andere verfluchten die Yankees mit so schrecklichen Worten, dass Lizzie jedes Wort wie einen Nadelstich empfand. Wieder andere beteten mit herzzerreißenden Stimmen darum, von ihrem schrecklichen Leiden befreit zu werden. Inmitten dieses Chaos bewegten sich mehrere Ärzte durch die Reihen, versorgten Wunden und erteilten lautstark Befehle.
„Verbände! Wir brauchen mehr Verbände!“
„Dieser Soldat kommt nach oben!“