: Gertrud Fussenegger
: Das Haus der dunklen Krüge Der große Familienroman aus der k. u. k. Zeit
: LangenMüller
: 9783784483450
: 1
: CHF 16.60
:
: Kunst, Literatur
: German
: 480
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'Es war im Jahre 1870: Im Hause Bourdanin wurde Hochzeit gefeiert.' Stolz präsentiert der kaiserliche und königliche Rittmeister a. D. Balthasar Bourdanin seine Braut, überzeugt davon, dass sie mit ihm das große Los gezogen hat. Doch das Glück will sich nicht recht einstellen. Ein grandioser Familien- und Gesellschaftsroman vor dem Hintergrund der untergehenden Habsburger Monarchie. Es ist das meisterhafte Porträt einer Familie, psychologisch brillant und in bezwingender Sprache - ein Stück Literatur, wie man es heute kaum noch findet.

ERSTES HAUPTSTÜCK

Die dunklen Krüge

Die Hochzeitsnacht

Es war im Jahre 1870: Im Hause Bourdanin wurde Hochzeit gefeiert.

Ehe die Sonne des langen glühendheißen Augusttages unterging, führte der Bräutigam, der kaiserliche und königliche Rittmeister Balthasar Bourdanin, seine jungangetraute Frau aus der Gesellschaft der Festgäste in die für ihn eingerichteten Gemächer seines Vaterhauses. Die Stuben waren still und leer. Die Fenster standen offen; durch die weißen Schleierbahnen der Vorhänge drang, in schräge Strahlen gebrochen, das schwere gelbrote Abendlicht. Der Rittmeister warf Hut und Handschuhe ab und schwang seinen Hochzeitsrock über die Sessellehne. »Und nun«, sprach er, »nun sage mir auch, Marie, wie glücklich du bist!«

Zwischen den Fenstern hing ein Spiegel. Der Mann konnte es sich nicht versagen, sein Bild mit einem Blick zu messen.

Balthasar Bourdanin war ein schöner Mann, fest und gedrungen gebaut, breitschultrig, rundköpfig, von kräftiger Hautfarbe und dunklem Haar. Die Nase stand zwar ein wenig schief in dem Gesicht und zielte mit ihrer Spitze abwärts gegen den buschigen Schnurrbart; doch stand sie nicht übel zu dem festen Munde, zu der starken Braue, zu dem dunkelrollenden hephaistischen Blick. Der Rittmeister mußte es sich selbst gestehen, er war ein in seiner Art prächtiger Mann; darum hielt er die Frau, die ihn bekommen, für ein vollendet glückliches Geschöpf. Die Frau saß hinter ihm auf dem geblümten Ruhebett. Die gute Marie! – der Mann lachte ein wenig in sich hinein: hattedas einer Mühe bedurft, bis er sie bekam, seine Base und Kindheitsgespielin, obwohl ihr doch, soviel er wußte, vorher die Freier nicht gerade das Haus eingelaufen hatten. Diese Ehe hatte eine eigentümliche Vorgeschichte.

Als Kinder schon waren Balthasar und Marie im Spiel darauf verfallen, einander Treue zu geloben. Viele Jahre später hatte er sich des kindischen Verspruchs wieder erinnert. Es war damals, als er, durch dienstliche Ungelegenheiten verärgert und des rastlosen Lebens in den Garnisonen müde geworden, beschlossen hatte, den Abschied zu nehmen und in der Heimat einen Hausstand zu gründen. Er schrieb an Marie, sie willigte ein. Aber als sie ihre Verlobung bekanntgaben, erhob sich die ganze Verwandtschaft dagegen. Mariens Eltern, seine eigene Mutter, seine vier Schwestern, alle fielen über sie beide her: Marie sei kränklich, sie passe nicht zu ihm, er nicht zu ihr, und überhaupt tauge es nicht, wenn Vetter und Base einander ehelichten.

Der Rittmeister verlachte alle diese Gründe. Aber Marie schien beeindruckt und hätte sich, nach Frauenzimmerart, leicht abspenstig machen lassen. Da riß ihm die Geduld, und er beschloß zu handeln. In einem offenen Zweispänner war er eines schönen Sonntagmorgens vor ihrem Hause vorgefahren; unter eine