: Kathy Izard
: 'Und wo sind hier die Betten?'
: Francke-Buch
: 9783963629679
: 1
: CHF 13.30
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 300
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Es ist eine unerwartete Frage, die Kathy Izards Leben für immer verändert. »Und wo sind hier die Betten?«, will der ehemalige Obdachlose Denver Moore (bekannt durch den Bestseller »Genauso anders wie ich«) von ihr wissen, als sie ihm stolz die Obdachlosenarbeit präsentiert, in der sie sich ehrenamtlich engagiert. Fortan lässt ihr diese Frage keine Ruhe mehr. Sie fühlt sich herausgefordert, mehr zu tun, als in der Suppenküche mitzuarbeiten - und so gibt die Grafikdesignerin und Mutter von vier Töchtern ihren Job auf und stellt sich einer Herausforderung, die viel zu groß für sie zu sein scheint: Häuser für Obdachlose zu bauen. Dabei kommt sie nicht nur mit ihrer eigenen Vergangenheit ins Reine, sondern erlebt auch Wunder über Wunder und kann schließlich gar nicht mehr anders, als zu erkennen: Ja, es gibt einen Gott. Er hat einen Plan für uns und ist in unserem Leben am Wirken. Und so verrückt es sich auch anfühlen mag, auf sein Flüstern zu hören - verrückter wäre, es nicht zu tun.

Kathy Izard ist verheiratet, hat vier Töchter, lebt in Charlotte und arbeitete 20 Jahre lang als Grafikdesignerin. 2007 initiierte sie in ihrer Stadt das Programm »Homeless to homes«, fand darüber nicht nur zu einem erfüllten Leben, sondern auch zum Glauben, und schuf mit »Moore Place« ein Zuhause für über hundert vormals obdachlose Menschen, die alle ihre ganz eigene Geschichte haben.

1. Sechs Kerzen, ein Wunsch

Wir alle müssen unsere Heimat verlassen,
um eine realere und größere Heimat zu finden.

Richard Rohr1

Es war der Tag, den ich nie vergessen werde, in dem Jahr, das ich am liebsten für immer vergessen würde.

Ich stand auf Zehenspitzen und schaute über den Rand ihres großen grünen Zeichentisches. Ich sah meiner Mutter zu, wie sie sorgfältig zehn Kunstwerke erschuf. Konzentriert beugte sie sich vornüber, damit sie näher an ihrem Bleistift arbeiten konnte. Wir waren in ihrem geräumigen Atelier, das in unserem neuen, mit Zwischengeschossen ausgestatteten Haus an das Schlafzimmer meiner Eltern angrenzte. Unsere fünfköpfige Familie wohnte erst seit Kurzem dort, in der letzten Straße einer neu erbauten Siedlung im Westen von El Paso, Texas, und wir Kinder hatten alle ein eigenes Zimmer.

Das Atelier war ein fast vierzig Quadratmeter großer Raum mit gewölbten Decken und natürlichem Tageslicht, das durch die Fenster hereinströmte. Zwei Brennöfen standen darin und es gab Staffeleien, Leinwände, Acryl- und Ölfarben sowie Schränke, in denen noch weitere Materialien waren. Ein Kassettenrekorder und einige Schachteln voll mit klassischer Musik sorgten dafür, dass der Raum mit dem Klang von Symphonien erfüllt war, während wir arbeiteten. Meine beiden Schwestern und ich waren wahrscheinlich die einzigen drei kleinen Mädchen, die dazu ermutigt wurden, Grußkarten selbst zu gestalten, statt welche zu kaufen. Wenn Verwandte Geburtstag hatten, ein Jubiläum oder Feiertage bevorstanden, holte Mutter die Malutensilien heraus und ließ uns ganz persönliche Karten anfertigen. Glitter und Klebstoff allein reichten nicht; wir mussten ein Thema, eine Illustration und eine Botschaft haben, genau wie bei einer richtigen Grußkarte. Für mich war dieser Raum in unserem Haus immer eine Art Liebesbrief meines Vaters an meine Mutter. Er wollte, dass sie sich hier entfalten konnte, wenn sie schon in die texanische Wüste verpflanzt worden war.

El Paso war die Heimatstadt meines Vaters und meine Mutter war ein Jahrzehnt zuvor von North Carolina hierher gezogen, aus reiner Liebe zu ihm. Alle Häuser in unserer Nachbarschaft waren grundsätzlich im Stil einer Ranch erbaut, mit zusätzlichen architektonischen Elementen aus dem Westen: Ziegeldächer, bunte Lehmziegel und Holzbalken, die über bogenförmigen Fenstern herausragten. So als ob man sich für sein Haus ein Fiesta-Paket zum Draufsatteln bestellen würde. Jeder Vorgarten sah ähnlich aus: eine Landschaft aus Kakteen und Felsen. Nur unserer war anders. Mutter hatte die Felsen etwas sanfter gestaltet mit dem Besten, was ihr Heimatstaat zu bieten hatte: Sie hatte auf unser tausend Quadratmeter großes Grundstück Rosenbüsche und Bradford-Birnbäume gepflanzt. Ich bin sicher, dass man in der örtlichen Baumschule noch nie etwas von Bra