Kapitel 2
Mit sich stetig verschlechternder Laune lenke ich meinen Wagen durch den abendlichen Verkehr. Es ist bereits kurz nach acht. Über der Stadt liegt diese ganz besondere Stimmung, wenn ein heißer Tag sich langsam verabschiedet und einer Nacht weicht, die warm ist und nach Sommer und Abenteuer riecht. Die wie geschaffen ist dafür, in einem Straßencafé zu sitzen, den Blick schweifen zu lassen und jemanden zu suchen, mit dem man …
Von wegen: Mit dem man.Tse! Erstens muss ich diesen blöden Botengang erledigen, zweitens kann ich problemlos Stunden irgendwo sitzen,ohne dass mich irgendjemand bemerkt, und drittens scheine ich ja sowieso nicht der Typ zu sein, der so entspannt aus sich rausgehen kann. Denkt zumindest meine Chefin. »Weltbild!«, zische ich wütend. Was bildete sich diese Schnepfe eigentlich ein?
Jens wohnt, wie könnte es anders sein, im Glockenbachviertel, Münchens trendigem, schwulem Stadtteil. Hier finden sich die besten Bars und Clubs. Was man hingegen selten sieht, ist ein freier Parkplatz. Also kurve ich dreimal um den Block, bis ich endlich eine Lücke finde, in die ich meinen Wagen quetschen kann. Dass ich dabei ziemlich ins Schwitzen komme, steigert meine Laune genauso wenig wie der Grund, warum ich überhaupt hier bin, statt in meiner netten kleinen Wohnung in Neuhausen zu sitzen und den Tag bei einem gemütlichen Feierabendbier ausklingen zu lassen.
Feierabendbier …hmm … Ich hätte wohl noch einkaufen gehen sollen. Wahrscheinlich ist mein Kühlschrank leer. Na super.
Die Haustür ist offen. Ich steige die vier Stockwerke hoch – einen Aufzug hat das Haus natürlich nicht – und stehe angeschwitzt, schwer atmend und ausgesprochen unausgeglichen vor Jens’ Wohnungstür. Noch einmal tief einatmen … ausatmen … okay. Jetzt einfach schnell den Scheck übergeben. Und dann werde ich schon noch eine Tankstelle finden, wo ich etwas zu trinken kaufen kann. Ich klingle.
Nichts tut sich. Ich klingle erneut. Immer noch nichts. Wohnt Monsieur in einem Dreihundert-Quadratmeter-Loft und braucht etwas länger? Ärgerlich klopfe ich gegen die Tür und lege mein Ohr dagegen. Ob drinnen vielleicht Musik läuft? Wenn unser Supermodel nicht da ist, kann ich den Scheck einfach unten in den Briefkasten werfen …
In diesem Moment wird die Tür aufgerissen. Perplex mache ich einen Ausfallschritt, um nicht hinzufallen, und stolpere so in die Wohnung. »Scheiße!«, stoße ich hervor – und setze in Gedanken ein schnellesAu weia hinterher. Denn vor mir steht Jens. Was zu erwarten war. Aber nur mit einem Handtuch bekleidet und mit noch nasser Haut.
Es ist merkwürdig, diesen Körper, den ich schon so oft auf Fotos bewund… – nein, ermahne ich mich, schnell, nurgesehen! – habe, so unmittelbar vor mir zu haben. Er wirkt weniger hart und auftrainiert, sondern irgendwie echter, sanfter, anziehender … Moment, habe ich das jetzt wirklich gerade gedacht?
»Uwe«, sagt Jens und grinst mich an. »Da bist du ja.«
»Hattest du den Weihnachtsmann erwartet?«, zicke ich und versuche dabei, meinen Blick von seinem mit kleinen Wasserperlen überzogenen Körper loszureißen.
»Caradonna hat Bescheid gesagt, dass du kommst. Und für den Weihnachtsmann wäre dein Sack wahrscheinlich auch etwas klein?«
»Man muss schon ganz schön dämlich sein, um unter die Dusche zu gehen, wenn man noch Besuch erwartet.«
»Besuch?« Jens grinst mich an. »Das heißt, du möchtest länger bleiben?«
»Nicht, wenn es sich irgendwie verhindern lässt«, zische ich und halte ihm den Scheck entgegen.
»Moment«, sagt er und hebt entschuldigend die Hände. »Ich trockne mich nur schnell ab. Geh doch kurz in die Küche, ja? Nimm dir ein Bier.« Er dreht sich um und verschwindet durch eine Tür, hinter der ich Badezimmerkacheln sehe.
Schöne Scheiße. So viel zum Thema: Schnell rein, schnell raus, schnell nach Haus. Soll ich den Scheck einfach irgendwo hinlegen und mich dann vom Acker machen? Nein, das wäre albern. Und … und es würde sich dann so anfühlen, als wäre ich diesem Oberarsch schon