: L. Frank Baum
: Maria Weber
: Der Blechmann von Oz - Die Oz-Bücher Band 12
: Books on Demand
: 9783748162100
: 1
: CHF 8.80
:
: Erstlesealter, Vorschulalter
: German
: 200
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Im 12. Band der Oz-Reihe - Der Blechmann von Oz - macht sich der blecherne Holzfäller auf den Weg, um seine einstige Verlobte wiederzufinden und sie zu heiraten. Einst beging der Blechmann einen großen Fehler: Er ließ seine Verlobte kurz vor der Hochzeit in einer furchtbaren Lage sitzen und meldete sich nie wieder bei ihr. Nun bereut er dieses Versäumnis und will seine alten Fehler wiedergutmachen. Doch wo ist Nimmie Amee? Eine abenteuerliche Suche beginnt. Auf seiner gefährlichen Reise wird der Blechmann von mehreren seiner Freunde begleitet, die gemeinsam mit ihm verschiedene Gefahren überstehen müssen. Doch als sie Nimmie Amee schließlich finden, scheint diese nicht sehr erfreut über seine Rückkehr zu sein ... Empfohlenes Alter: 5 bis 10 Jahre. Große Schrift, auch für Leseanfänger geeignet.

Kapitel 1.


Woot der Wanderer.


DER Blechmann saß auf seinem glitzernden blechernen Thron im schönen Blechsaal seines prächtigen Blechschlosses im Winkie-Land von Oz. Neben ihm saß auf einem Stuhl aus geflochtenem Stroh sein bester Freund, die Vogelscheuche von Oz. Zuweilen sprachen sie miteinander über interessante Dinge, die sie gesehen, und seltsame Abenteuer, die sie erlebt hatten, seit sie einander kannten und Kameraden waren. Manchmal schwiegen sie jedoch, denn sie sprachen oft über diese Dinge, und sie waren zufrieden damit, einfach beisammen zu sein und ab und zu einen kurzen Satz zu sprechen, um zu beweisen, daß sie wach und aufmerksam waren. Aber andererseits schliefen diese beiden wunderlichen Personen nie. Warum sollten sie auch schlafen, wenn sie niemals müde waren?

Und jetzt, als die strahlende Sonne tief über dem Winkie-Land von Oz versank und die glitzernden Blechtürme des Blechschlosses in die herrlichen Farben des Sonnenuntergangs tauchte, näherte sich Woot der Wanderer auf einem gewundenen Pfad, und traf am Schloßtor auf einen Winkie-Diener.

Die Diener des Blechmanns trugen alle blecherne Helme, blecherne Brustharnische und Uniformen, die mit winzigen, auf silbernem Stoff eng zusammengenähten Blechscheiben bedeckt waren, so daß ihre Körper ebenso schön funkelten wie das Blechschloß – und beinahe ebenso schön wie der Blechmann selbst.

Woot der Wanderer blickte auf den Diener – der strahlte und glitzerte – und das prächtige Schloß – ebenfalls strahlend und glitzernd – und als er so schaute, wurden seine Augen groß vor Staunen. Denn Woot war nicht sehr groß und nicht sehr alt, und obwohl er ein Wanderer war, war dies der herrlichste Anblick, der seinen jungen Augen je begegnet war.

„Wer lebt hier?“, fragte er.

„Der Kaiser der Winkies, der berühmte blecherne Holzfäller von Oz“, antwortete der Diener, dem befohlen worden war, alle Fremden mit Höflichkeit zu behandeln.

„Ein blecherner Holzfäller? Wie seltsam!“, rief der kleine Wanderer aus.

„Nun, vielleicht ist unser Kaiser seltsam“, gab der Diener zu, „aber er ist ein gütiger Herr und so ehrlich und aufrichtig wie gutes Blech ihn nur machen kann. Wir, die wir ihm gern dienen, vergessen leicht, daß er nicht wie andere Leute ist.“

„Darf ich ihn sehen?“, fragte Woot der Wanderer nach kurzem Nachdenken.

„Wenn du einen Moment warten würdest, werde ich gehen und ihn fragen“, sagte der Diener und ging dann in den Saal, wo der Blechmann mit seinem Freund, der Vogelscheuche, saß. Beide freuten sich zu erfahren, daß ein Fremder angekommen war, denn dies würde ihnen etwas Neues geben, worüber sie sprechen könnten, und der Diener wurde aufgefordert, den Jungen sofort hereinzuführen.

Als Woot der Wanderer die großen Korridore passiert hatte – alle mit verziertem Blech ausgekleidet – und stattliche blecherne Bögen und die vielen blechernen Räume, die mit schönen Blechmöbeln eingerichtet waren, waren seine Augen größer denn je und sein ganzer kleiner Körper zitterte vor Aufregung. Es gelang ihm aber, sich trotz seines Herzklopfens höflich vor dem Thron zu verbeugen und mit respektvoller Stimme zu sagen: „Ich grüße Eure Erlauchte Majestät und biete Euch meine bescheidenen Dienste an.“

„Schön!“, antwortete der Blechmann auf seine gewohnt fröhliche Art. „Sag mir, wer du bist und woher du kommst.“

„Ich bin als Woot der Wanderer bekannt“, antwortete der Junge, „und ich bin durch viele Reisen und Umwege von meinem früheren Zuhause in einem entlegenen Winkel des Gillikin-Landes von Oz zu Euch gekommen.“

„Von zu Hause fortzuwandern“, bemerkte die Vogelscheuche, „bedeutet, Gefahren und Nöten zu begegnen, besonders wenn man aus Fleisch und Knochen besteht. Hattest du in jenem Winkel des Gillikin-Landes keine Freunde? War es dort nicht heimelig und angenehm?“

Einen strohgefüllten Mann sprechen – und so gut sprechen – zu hören, erschreckte Woot ziemlich, und vielleicht starrte er die Vogelscheuche auf eine etwas unhöfliche Weise an. Aber nach einem Moment antwortete er:

„Ich hatte ein Zuhause und Freunde, Euer ehrenwerte Strohheit, aber sie waren so ruhig und glücklich und angenehm, daß ich sie gräßlich langweilig fand. Nichts in diesem Winkel von Oz fesselte mein Interesse, aber ich glaubte, daß ich in anderen Teilen des Landes interessante Leute finden und neue Sehenswürdigkeiten sehen würde, und so begann ich mit meiner Wanderung. Ich bin seit fast einem ganzen Jahr ein Wanderer, und jetzt haben mich meine Wanderungen zu diesem herrlichen Schloß geführt.“

„Ich schätze“, sagte der Blechmann, „daß du in diesem Jahr so viel gesehen hast, daß du sehr weise geworden bist.“

„Nein“, antwortete Woot nachdenklich, „ich bin überhaupt nicht weise, Euer Majestät. Je mehr ich wandere, desto mehr stelle ich fest, wie wenig ich weiß, denn im Land von Oz kann viel Weisheit erworben werden.“

„Lernen ist einfach. Stellst du denn keine Fragen?“, fragte die Vogelscheuche.

„Doch, ich stelle so viele Fragen, wie ich zu stellen wage; aber einige Leute weigern sich, Fragen zu beantworten.“

„Das ist nicht nett von ihnen“, erklärte der Blechmann. „Wer nicht um Informationen bittet, erhält sie für gewöhnlich auch nicht; daher mache ich es für mich zur Regel, jede höfliche Frage zu beantworten, die mir gestellt wird.“

„Ich auch“, fügte die Vogelscheuche kopfnickend hinzu.

„Ich bin froh, das zu hören“, sagte der Wanderer, „denn es läßt mich Mut fassen, nach etwas zu essen zu fragen.“

„Der arme Junge!“, rief der Kaiser der Winkies. „Wie gedankenlos von mir, daß ich nicht daran gedacht habe, daß Wanderer normalerweise hungrig sind. Ich werde dir sofort Essen bringen lassen.“

Mit diesen Worten blies er in eine blecherne Pfeife, die um seinen blechernen Hals hing, und auf den Pfiff hin erschien ein Diener und verbeugte sich tief. Der blecherne Holzfäller bestellte Essen für den Fremden, und in wenigen Minuten brachte der Diener ein Blechtablett mit einer Auswahl an guten Speisen, alles ordentlich auf Blechgeschirr angerichtet, das so sehr poliert war, daß es wie Spiegel glänzte. Das Tablett wurde auf einem vor den Thron gezogenen Blechtisch abgesetzt, und der Diener stellte einen Blechstuhl vor den Tisch, damit der Junge sich setzen konnte.

„Iß, Freund Wanderer“, sagte der Kaiser herzlich, „und ich vertraue darauf, daß das Festmahl dir munden wird. Ich selbst esse nicht, da ich so gebaut bin, daß ich keine Nahrung brauche, um mich am Leben zu erhalten. Und bei meinem Freund, der Vogelscheuche, verhält es sich ebenso. Aber alle meine Winkie-Leute essen, da sie wie du aus Fleisch geformt sind, und daher ist mein Blechschrank nie leer, und Fremde sind immer willkommen, sich an dem gütlich zu tun, was er enthält.“

Der Junge aß eine Zeitlang schweigend, da er wirklich hungrig war, aber nachdem er seinen Appetit etwas gestillt hatte, fragte er:

„Wie kommt es, daß Eure Majestät aus Blech gemacht und dennoch am Leben ist?“

„Das“, antwortete der Blechmann, „ist eine lange Geschichte.“

„Je länger, desto besser“, sagte der Junge. „Würdet Ihr mir die Geschichte erzählen?“

„Wenn du es wünscht“, versprach der Blechmann, lehnte sich in seinem blechernen Thron zurück und schlug seine blechernen Beine übereinander. „Ich habe meine Geschichte schon lange nicht mehr erzählt, weil jeder sie fast genauso gut kennt wie ich. Aber du als Fremder bist zweifellos neugierig zu erfahren, wie ich so schön und wohlhabend wurde, also werde ich dir zuliebe von meinen außergewöhnlichen Abenteuern erzählen.“

„Danke“, sagte Woot der Wanderer, der immer noch aß.

„Ich war nicht immer aus Blech“, begann der Kaiser, „denn ich war anfangs ein Mann aus Fleisch, Knochen und Blut und lebte im Munchkin-Land von Oz. Dort war ich ein Holzhacker von Beruf und habe zum Wohl des Volkes von Oz beigetragen, indem ich die Bäume des Waldes zu Brennholz zerhackt habe, mit dem die Frauen dann ihr Essen kochen konnten, während sich die Kinder am Herd wärmten. Mein Zuhause war eine kleine Hütte am Waldrand, und mein Leben war ein sehr zufriedenes, bis ich mich in ein schönes Munchkin-Mädchen verliebte, das nicht weit von mir entfernt wohnte.“

„Wie hieß das Munchkin-Mädchen?“, fragte Woot.

„Nimmie Amee. Dieses Mädchen, das so schön war, daß die Sonnenuntergänge erröteten, wenn ihre Strahlen auf sie fielen, lebte mit einer mächtigen Hexe zusammen, die silberne Schuhe trug und das arme Kind zu ihrer Sklavin gemacht hatte. Nimmie Amee mußte von morgens bis...