: Albert Lenz
: Ressourcen psychisch kranker und suchtkranker Eltern stärken Ein Gruppenprogramm zur Prävention von Kindesmisshandlung und -vernachlässigung
: Hogrefe Verlag GmbH& Co. KG
: 9783840928161
: 1
: CHF 31.70
:
: Psychologie
: German
: 168
: Wasserzeichen/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF
Kinder von psychisch kranken oder suchtkranken Eltern weisen ein erhöhtes Risiko auf, misshandelt oder vernachlässigt zu werden. Ressourcen, die als Schutzfaktoren wirken, sind bei den betroffenen Eltern häufig nur schwach ausgeprägt. Um diejenigen Ressourcen der Eltern zu stärken, die das Misshandlungsrisiko für Kinder vermindern, wurde das vorliegende modular aufgebaute Gruppenprogramm entwickelt und evaluiert. Es fokussiert auf die Förderung des Stress- und Belastungsmanagements der Eltern. Ziel ist es, einen besseren Schutz für die Kinder zu erreichen. Das Manual liefert zunächst einen Überblick über verschiedene Formen von Misshandlung und Vernachlässigung und geht auf empirische Befunde zu den Risiko- und Schutzfaktoren bei der Entstehung von Vernachlässigung und Kindesmisshandlung ein. Ausführlich wird anschließend die Durchführung der vier Module des Gruppenprogramms beschrieben. Im Mittelpunkt steht die Stärkung der reflexiven Kompetenzen der Eltern, d.h. die Stärkung ihrer Mentalisierungsfähigkeit, die sich als wichtiger Schutzfaktor herauskristallisiert hat. Es geht darum, das Einfühlungsvermögen der Eltern in die kindlichen Bedürfnisse und Gedanken sowie die Sensibilität für Perspektiven der Kinder und anderer Personen zu fördern. Weiterhin soll der konstruktive Umgang mit Gefühlen und Belastungen gestärkt und der Aufbau eines sozialen Beziehungsnetzes gefördert werden. Zahlreiche Arbeitsblätter, die auf der CD-ROM vorliegen, erleichtern die Umsetzung des Programmes in der Praxis.

|21|Kapitel 2
Ressourcen, Schutzfaktoren und Resilienz


Schutzfaktoren sind Ressourcen, die eingesetzt werden, um Risiken abzupuffern und Fehlentwicklungen bzw. die Entwicklung von Störungen zu verhindern oder zumindest abzumildern. Von Schutzfaktoren wird daher gesprochen, wenn diese pathogene oder gefährdende Entwicklungen positiv beeinflussen (Petermann& Schmidt, 2006;Rutter, 2012).

Man kann also davon ausgehen, dass es vor allem dann zu kindlichen Entwicklungsproblemen und Gefährdungen kommt, wenn die kumulierten Risiken nicht mehr durch Schutzfaktoren kompensiert werden können (sieheKapitel 1). Insbesondere im Säuglings- und Kleinkindalter sind die elterlichen Beziehungs- und Bewältigungskompetenzen von entscheidender Bedeutung für die gesunde Entwicklung des Kindes. Durch die persönlichen und sozialen Ressourcen der Eltern, ihren Fähigkeiten mit Stress- und Belastungen umzugehen und soziale Unterstützung zu aktivieren, werden die Grundlagen für die Entwicklung von Ressourcen und Schutzfaktoren auf Seiten der Kinder gelegt.

Merke

Kinder entwickeln sich zu starken Persönlichkeiten, wenn sie starke Eltern haben. Kinder sind am besten vor Gefährdungen geschützt, wenn die Ressourcen der Eltern gestärkt werden.

2.1 Resilienz als Label – Schutzfaktoren für eine gesunde Entwicklung


In seiner ursprünglichen Bedeutung wird unter Resilienz ein Label für eine gesunde Entwicklung von Menschen trotz widriger und belastender Umstände verstanden (Reinelt et al., 2016). Durch die Untersuchung vielfältiger Risikokonstellationen konnte eine Vielfalt von potenziell Resilienz fördernder Faktoren – sogenannter Schutzfaktoren – ermittelt werden. Untersucht wurden in prospektiven Längsschnittstudien und kontrollierten Querschnittsstudien verschiedene Risikogruppen, wie z. B. Kinder aus Familien mit multiplen psychosozialen Belastungen. Obwohl sich die Studien auf unterschiedliche Stichproben in verschiedenen sozialen und kulturellen Kontexten stützen, mit unterschiedlichen Methoden durchgeführt wurden und hinsichtlich der untersuchten Entwicklungsabschnitte und Risikofaktoren variieren, zeigen sich konsistente Befunde. Es kann also von bedeutsamen generellen Schutzfaktoren für eine gesunde Entwicklung ausgegangen werden (Masten, 2007;O’Dougherty et al., 2013):

  • Personale Merkmale (z. B. effektive Emotionsregulation, hohe Selbstwirksamkeitserwartungen, Temperament, Selbstvertrauen und hohes Selbstwertgefühl, Bewältigungskompetenzen)

  • Merkmale von Familien (z. B. emotional sichere und stabile Bindung, emotional positives und zugleich Grenzen setzendes Erziehungsklima, harmonische elterliche Paarbeziehung).

  • Familiäre Interaktionsmerkmale (z. B. emotionale Verbundenheit, Flexibilität in den familiären Strukturen, Kohäsion, Ausdruck von Gefühlen, offene und kongruente Kommunikation, familiäre Bewältigungskompetenzen).

  • Soziale und soziokulturelle Faktoren (insbesondere zuverlässige, vertrauensvolle Beziehung zu außerfamiliären Person(en), Einbindung in soziales Netzwerk, soziale Unterstützung, gute Schule und Gesundheitsversorgung, Integration in Gruppen, Vereine etc.).

In den letzten Jahren wurden darüber hinaus biologische Korrelate von Resilienz untersucht. Es konnten hierbei sowohl neuronale Areale identifiziert werden, die in Resilienz involviert sind, wie z. B. der|22|dorso-laterale anteriore cinguläre Kortex (Peterson et al., 2014), sowie neurobiologische und neurochemische Marker (Kalisch et al., 2015) und genetische Faktoren (Cicchetti& Rogosch, 2012). Auch epigenetische Prozesse werden als mögliche biologische Substrate im Zusammenhang mit der Ausbildung von Resilienz angenommen (Schmidt et al., 2012).

Als einflussreichste Studie in der Resilienzforschung gilt die Kauai-Studie von Emmy Werner und ihren Mitarbeitern (Werner& Smith, 1992). In einer prospektiven Studie untersuchte die Forschergruppe auf der Hawaii-Insel Kauai eine vollständige Geburtsjahrgangskohorte, bestehend aus 698 Kindern des Jahrgangs 1955 aus meist gemischten, eingewanderten und einheimischen, zumeist sozioökonomisch benachteiligten Familien, über 40 Jahre von der pränatalen Phase bis ins Erwachsenenalter.

In die Studie wurden demografische Angaben zur Familiengeschichte, zur aktuellen Familie und zum Haushalt, Interviews bei Hausbesuchen, Informationen aus pädiatrischen Untersuchun

Inhaltsverzeichnis und Danksagung7
Einleitung11
Kapitel 1: Misshandlung und Vernachlässigung – Risiko- und Schutzfaktoren13
1.1Formen von Misshandlung und Vernachlässigung13
1.2 Risiko- und Schutzfaktoren bei Misshandlung und Vernachlässigung15
1.3Fazit22
Kapitel 2: Ressourcen, Schutzfaktoren und Resilienz23
2.1 Resilienz als Label – Schutzfaktoren für eine gesunde Entwicklung23
2.2 Resilienz als ein dynamischer Prozess27
2.3Mentalisierungsfähigkeit – Ein zentraler Mechanismus der Resilienz28
Kapitel 3: Das Gruppenprogramm „Ressourcen psychisch kranker und suchtkranker Eltern stärken“ – Allgemeine Hinweise zum Vorgehen33
3.1Aufbau des Gruppen­programms33
3.2 Rahmenbedingungen des Gruppenprogramms34
3.3 Allgemeiner Ablauf der Gruppensitzungen35
3.4 Erste und letzte Gruppensitzung37
3.5Auffrischungssitzung38
3.6Aufgaben der Gruppenleitung38
3.7Handlungsempfehlungen für den Umgang mit speziellen oder schwierigen Situationen39
3.8Grundlegende Anforderungen an die professionellen Helfer in der Arbeit mit psychisch erkrankten Eltern39
Kapitel 4: Evaluationsergebnisse48
4.1Studiendesign48
4.2 Ergebnisse der Begleitforschung50
4.3Fazit53
Kapitel 5: Die vier Module des Gruppenprogramms55
5.1Modul 1 – Mentalisieren55
5.2Modul 2 – Gefühle und Umgang mit Gefühlen65
5.3Modul 3 – Stressbewältigung74
5.4Modul 4 – Förderung des sozialen Beziehungsnetzes85
Literatur95
Anhang: Arbeitsblätter101
Übersicht über die Materialien168