Schutzfaktoren sind Ressourcen, die eingesetzt werden, um Risiken abzupuffern und Fehlentwicklungen bzw. die Entwicklung von Störungen zu verhindern oder zumindest abzumildern. Von Schutzfaktoren wird daher gesprochen, wenn diese pathogene oder gefährdende Entwicklungen positiv beeinflussen (Petermann& Schmidt, 2006;Rutter, 2012).
Man kann also davon ausgehen, dass es vor allem dann zu kindlichen Entwicklungsproblemen und Gefährdungen kommt, wenn die kumulierten Risiken nicht mehr durch Schutzfaktoren kompensiert werden können (sieheKapitel 1). Insbesondere im Säuglings- und Kleinkindalter sind die elterlichen Beziehungs- und Bewältigungskompetenzen von entscheidender Bedeutung für die gesunde Entwicklung des Kindes. Durch die persönlichen und sozialen Ressourcen der Eltern, ihren Fähigkeiten mit Stress- und Belastungen umzugehen und soziale Unterstützung zu aktivieren, werden die Grundlagen für die Entwicklung von Ressourcen und Schutzfaktoren auf Seiten der Kinder gelegt.
Merke
Kinder entwickeln sich zu starken Persönlichkeiten, wenn sie starke Eltern haben. Kinder sind am besten vor Gefährdungen geschützt, wenn die Ressourcen der Eltern gestärkt werden.
In seiner ursprünglichen Bedeutung wird unter Resilienz ein Label für eine gesunde Entwicklung von Menschen trotz widriger und belastender Umstände verstanden (Reinelt et al., 2016). Durch die Untersuchung vielfältiger Risikokonstellationen konnte eine Vielfalt von potenziell Resilienz fördernder Faktoren – sogenannter Schutzfaktoren – ermittelt werden. Untersucht wurden in prospektiven Längsschnittstudien und kontrollierten Querschnittsstudien verschiedene Risikogruppen, wie z. B. Kinder aus Familien mit multiplen psychosozialen Belastungen. Obwohl sich die Studien auf unterschiedliche Stichproben in verschiedenen sozialen und kulturellen Kontexten stützen, mit unterschiedlichen Methoden durchgeführt wurden und hinsichtlich der untersuchten Entwicklungsabschnitte und Risikofaktoren variieren, zeigen sich konsistente Befunde. Es kann also von bedeutsamen generellen Schutzfaktoren für eine gesunde Entwicklung ausgegangen werden (Masten, 2007;O’Dougherty et al., 2013):
Personale Merkmale (z. B. effektive Emotionsregulation, hohe Selbstwirksamkeitserwartungen, Temperament, Selbstvertrauen und hohes Selbstwertgefühl, Bewältigungskompetenzen)
Merkmale von Familien (z. B. emotional sichere und stabile Bindung, emotional positives und zugleich Grenzen setzendes Erziehungsklima, harmonische elterliche Paarbeziehung).
Familiäre Interaktionsmerkmale (z. B. emotionale Verbundenheit, Flexibilität in den familiären Strukturen, Kohäsion, Ausdruck von Gefühlen, offene und kongruente Kommunikation, familiäre Bewältigungskompetenzen).
Soziale und soziokulturelle Faktoren (insbesondere zuverlässige, vertrauensvolle Beziehung zu außerfamiliären Person(en), Einbindung in soziales Netzwerk, soziale Unterstützung, gute Schule und Gesundheitsversorgung, Integration in Gruppen, Vereine etc.).
In den letzten Jahren wurden darüber hinaus biologische Korrelate von Resilienz untersucht. Es konnten hierbei sowohl neuronale Areale identifiziert werden, die in Resilienz involviert sind, wie z. B. der|22|dorso-laterale anteriore cinguläre Kortex (Peterson et al., 2014), sowie neurobiologische und neurochemische Marker (Kalisch et al., 2015) und genetische Faktoren (Cicchetti& Rogosch, 2012). Auch epigenetische Prozesse werden als mögliche biologische Substrate im Zusammenhang mit der Ausbildung von Resilienz angenommen (Schmidt et al., 2012).
Als einflussreichste Studie in der Resilienzforschung gilt die Kauai-Studie von Emmy Werner und ihren Mitarbeitern (Werner& Smith, 1992). In einer prospektiven Studie untersuchte die Forschergruppe auf der Hawaii-Insel Kauai eine vollständige Geburtsjahrgangskohorte, bestehend aus 698 Kindern des Jahrgangs 1955 aus meist gemischten, eingewanderten und einheimischen, zumeist sozioökonomisch benachteiligten Familien, über 40 Jahre von der pränatalen Phase bis ins Erwachsenenalter.
In die Studie wurden demografische Angaben zur Familiengeschichte, zur aktuellen Familie und zum Haushalt, Interviews bei Hausbesuchen, Informationen aus pädiatrischen Untersuchun