Mit rasselndem Atem schlug er sich durch Dornenbüsche, stolperte über seine Füße und rollte einen sanft abfallenden Hügel hinunter. Er fand er sich am Ufer eines schmalen Bachlaufs wieder, stemmte sich hoch und stampfte durch das aufgeweichte Erdreich ins Wasser. An der tiefsten Stelle reichte es ihm bis knapp über die Knie, sodass O’Leary hindurchwaten und gleichzeitig seine Spuren verwischen konnte.
»Teilt euch auf! Er kann nicht weit sein!«
Die Worte versetzten O’Leary einen Stich. Deutlich hatte er sie wahrgenommen und wusste, dass seine Verfolger näher waren als gedacht.
Noch einmal spornte er sich zur Eile an, schritt zügig durch den seichten Bach und versuchte, jedes unnötige Geräusch zu vermeiden. Doch er merkte selbst, dass er viel zu langsam vorankam. Seine Stiefel versanken im schlammigen Untergrund. Fast war es, als wollte er ihn festhalten und an der Flucht hindern.
Nicht zum ersten Mal stieg Angst in Daniel O’Leary auf. So sehr ihn sein Erfolg beflügelt hatte, drohte ihn nun die Furcht vor der erneuten Gefangennahme zu übermannen. Wenn die Kerle ihn zu fassen bekamen, würden sie ihn hart bestrafen. O’Leary hatte eine ähnliche Aktion hautnah miterlebt. Eine junge Squaw war aus dem Lager der Verschleppten entflohen, aber bereits eine Stunde später gefasst worden. Man hatte sie ausgepeitscht, geschlagen und vergewaltigt – alles im Beisein Dutzender weiterer Gefangener.
Die Abschreckung hatte gewirkt. Nur Daniel O’Learys Willen hatten die Menschenhändler nicht brechen können. Er hatte die erstbeste Gelegenheit zur Flucht genutzt und keinen Gedanken an die Folgen seines Tuns verschwendet. Auf schnellstem Weg wollte er seinen Bruder Hank aufsuchen und gemeinsam mit ihm dafür sorgen, dass dem Treiben der Schlepperbande ein Ende gesetzt wurde.
»Der Bach!«, grollte es durch die Nacht. »Seht unten beim Bach nach!«
Ein heißer Schauer überlief O’Leary. Mit einem Vorsprung von einigen Meilen hätte er eine Chance gehabt, so aber würden seine Verfolger ihn rasch entdecken und kurzen Prozess mit ihm machen. Die Hoffnungen, die der Ire sich noch vor Minuten gemacht hatte, schwanden mit jedem Schlag seines pochenden Herzens dahin.
Kraftvoll stampfte er durch den Morast, während die Kälte des unbewegten Gewässers bis in seine Knochen drang. Zäh legte er Meter um Meter zurück, wohl wissend, dass jede Sekunde, die er auf seiner Flucht herausschlug, seine Gefangennahme nur verzögerte, aber nicht verhindern konnte.
Hinter ihm spritzte gischtend Wasser in die Höhe; das Knurren und Bellen schnappender Hundemäuler drang an O’Learys Ohren. Gleichzeitig fiel flackernder Fackelschein auf ihn und riss ihn aus der schützenden Dunkelheit. Revolverhähne wurden gespannt, Gewehre repetiert.
»Stehenbleiben!«, gellte es Daniel O’Leary entgegen. »Du hast keine Chance!«
Gehetzt blickte sich der Ire um und schirmte seine Augen gegen das grelle Licht der Fackeln ab. Mindestens drei Doggen rannten auf ihn zu, eine unbestimmte Anzahl an Colts war auf ihn gerichtet. Nur ein Wahnsinniger hätte diesen ungleichen Kampf aufgenommen. Oder jemand, der außer dem Tod nichts mehr zu erwarten hatte. O’Leary jedoch gehörte weder der einen noch der anderen Sorte an.
»Gute Entscheidung!«, tönte es spöttisch. Es war die Stimme von Luke Constantine. Daniel O’Leary würde sie sein Leben lang nicht vergessen. Der Mann mit der Messernarbe im Gesicht sah nicht nur zum Fürchten aus, er war auch ein ausgemachter Sadist. Von ihm hatte O’Leary nichts Gutes zu erwarten.
»Pfeift die Hunde zurück!«, befahl Constantine. »Ich kümmere mich selbst um den Ausreißer!« Kurz schwenkte er seine Fackel und führte sie danach nah an sein Gesicht heran. Die Schatten, die der flackernde Schein warf, verliehen seinen Zügen einen teuflischen Ausdruck.
Entkräftet watete O’Leary zum Bachufer, ließ sich auf alle Viere fallen und atmete keuchend durch. Aus den Augenwinkeln sah er Constantine näherkommen, der plötzlich seinen Schritt beschleunigte und den rechten Fuß vorstieß. Der gemeine Tritt krachte in O’Learys Rippen und schleuderte ihn zur Seite. Ächzend überschlug er sich und landete rücklings in der aufgeweichten Erde.
»Das war dafür, dass du uns mitten in der Nacht aufgescheucht hast«, raunte Luke Constantine. »Und das hier«, – er stemmte die Sohle seines schmutzigen Stiefels auf O’Learys Wange und presste dessen Gesicht seitwärts in den Morast –, »bekommst du als Nachschlag, weil du geglaubt hast, uns verschaukeln zu können.« Constantine hob den Fuß an und ließ ihn herabsausen.
Daniel O’Learys Schmerzensschrei war weithin hörbar. In seinen Ohren rauschte das Blut. Für ihn fühlte es