1 Männer trauern, aber anders
Über die Unterschiede in der Trauer
Es gibt keine Männertrauer – oder doch?
Damit wir uns richtig verstehen:Die Männertrauer, also die eine, nach festen Kriterien messbare – die gibt es nicht. Denn wie Menschen in einer Trauer- und Verlustkrise reagieren, ist von Fall zu Fall unterschiedlich und immer ganz individuell. Das gilt für Männer ebenso wie für Frauen. Ich kenne verwaiste Väter, die rund ein Jahr nach dem Verlust ihres Kindes trotz allem Schmerz und tiefer Verzweiflung eine gewisse seelische Stabilität erreichen konnten, wenn sie sich in Aktivitäten wie beispielsweise die Gartenarbeit stürzten. Aber ich kenne auch verwitwete Männer älteren Semesters, die nach demselben Zeitraum immer wieder regelrechte Tobsuchtsanfälle bekamen und sich – von außen betrachtet – so gar nicht »im Griff« zu haben schienen.
Man könnte sich fragen: Müsste das nicht umgekehrt sein? Müsste nicht ein Vater, der sein Kind verloren hat, immer wieder solche Tobsuchtsanfälle bekommen? Und müsste nicht der Witwer, der doch auf ein langes und hoffentlich erfülltes Eheleben zurückschauen kann, viel rascher zu einer neuen Stabilität zurückfinden? Die Erfahrung zeigt: Ganz so einfach ist es eben nicht. Das liegt alleine schon daran, dass es nach dem Verlust eines Menschen keine quantifizierbaren und immer gleichen Kriterien gibt, wie der Verlauf des Trauerprozesses zu sein hat, sein wird, sein sollte. Das ist tatsächlich bei jedem Menschen ganz anders, es gibt kein Muster, an das man sich halten muss, aber auch keines, das Halt geben könnte. Jeder Trauerweg verläuft anders und braucht seine eigene Zeit. Entlastung und vielleicht Heilung von dem Schmerz und der Verzweiflung finden Trauernde am ehesten dann, wenn sie ihren höchst individuellen Weg erkennen und gehen.
Viele Faktoren beeinflussen die Trauer: Ob es bereits persönliche Vorerfahrungen mit den Themen Tod und Verlust eines nahestehenden Menschen gibt, ist ebenso von Bedeutung wie die persönliche Disposition oder der bislang in der Familie oder im persönlichen Umfeld erlebte Umgang mit Krisen und Schicksalsschlägen.
Männer wie Frauen können erleben, dass einen die Trauer in einer Weise umpflügen und zu Boden werfen kann, wie man es sich nie zuvor hätte vorstellen können. Trauer kann jeden treffen und niederwerfen – muss sie aber nicht. Sie kann unmittelbar nach dem Verlust einer geliebten Person auftreten – oder erst Jahre später zum Vorschein kommen, langsam oder mit plötzlicher Wucht. Sie kann Menschen zerstören, sie jahrelang ohnmächtig gefangen halten – oder sie kann ein sanfter Stich im Inneren sein, der sich nur gelegentlich bemerkbar macht. Kurzum: Wie sich Trauer auswirkt, ist grundsätzlich und unabhängig vom Geschlecht sehr unterschiedlich.
Und doch gibt es Beobachtungen und Erfahrungen, die alle schon gemacht haben, die als Trauerbegleiter Menschen unterstützen oder sich in Hospiz- oder Palliativzusammenhängen bewegen: dass Männer sich dort kaum blicken lassen.
Trauercafés oder Trauergruppen werden zu 80 bis 90 Prozent von Frauen besucht. Auch die Mitarbeiter in diesen Einrichtungen sind, egal ob ehrenamtlich oder festangestellt, fast ausschließlich Frauen. Auch das Publikum auf der jährlich in Bremen stattfindenden Fachmesse »Leben und Tod« besteht zu 80 bis 85 Prozent aus Frauen. Die wenigen Männer, die an e