2. KAPITEL
„Warum bin ich hier?“, rief Annabelle über den Lärm der Menge.
„Vom philosophischen Standpunkt aus gesehen?“, scherzte Katie, während sie zwei Drinks vom provisorischen Bartresen nahm und Annabelle einen reichte.
„Nein, du weißt schon, was ich meine.“ Annabelle hatte sich in der Singles-Partyszene nie wirklich wohlgefühlt, auch wenn diese Fete besser als die meisten war, da sie zumindest nicht in einer Kneipe stattfand. Aber Lärm blieb Lärm. Und Annabelle fühlte auch schon eine Migräne nahen. Vielleicht hätte sie doch besser ihre Brille tragen sollen.
Lachen drang aus der Mitte des Raums, wo zwei Pärchen standen, zu ihnen herüber. Annabelle entging nicht die etwas angespannte Haltung und das erzwungene Lächeln einer der anderen Frauen. Der Gedanke, den ganzen Abend lang ebenso verkrampft dazustehen und zu tun, als amüsiere sie sich, war alles andere als reizvoll. Sie versuchte, Katie ihren Drink zurückzugeben. „Das ist verrückt. Ich hasse Partys.“
„Und genau deswegen bist du hier. Du musst unbedingt mal wieder unter Leute kommen.“
„Partys sind nichts für mich. Siehst du die Männer dort drüben? Denen steht doch förmlich auf der Stirn geschrieben, dass sie mit ihrem letzten Unternehmen gescheitert sind und eine Frau suchen, die ihnen ihr nächstes finanziert, und keine Seelenverwandte.“
„Bist du etwa hier, um einen Seelenverwandten zu finden?“, fragte Katie mit erhobenen Augenbraue. „Nein, du willst dir nur einen schönen Abend machen und allenfalls eine intelligente Unterhaltung mit einem interessanten Mann führen.“
Seit sechs Monaten fühlte Katie sich dazu berufen, Annabelle ein neues Leben und Image zu verschaffen – angefangen mit dem lächerlichen Ring, den Annabelle nun an einem ihrer Zehen trug. Doch sosehr Katie sich auch bemühte, sie zu verändern, Annabelle würde es nie mit der natürlichen Extravaganz ihrer Freundin aufnehmen können, mit den pinkfarbenen Strähnchen in ihrem roten, mit Gel gestylten Haar, ihrem Glitzerlidschatten oder gar ihrem gepiercten Bauchnabel. Und zu dieser Party zu gehen war definitiv ein Fehler.
„Siehst du irgendwo Untersetzer?“, fragte Annabelle.
Katie zuckte mit den Schultern. „Stell das Glas doch einfach irgendwo hin.“
Annabelle schüttelte den Kopf und sah sich suchend um.
Katie straffte sich plötzlich und lächelte. „He, da drüben ist Jeff! Lass uns zu ihm rübergehen.“
Annabelle stöhnte im Stillen. Die Gruppe, auf die Katie zeigte, bestand ausschließlich aus Männern. Partys, auf denen ihre beste Freundin sich verpflichtet fühlte, sie sämtlichen unverheirateten Männern vorzustellen, waren ganz besonders anstrengend. „Oh, nicht diese Typen.“
„Wieso, was ist mit ihnen?“
Sie hatten keine blauen Augen. Und keine Narbe über dem rechten Auge. Und sie ließen auch nicht jede Zelle von Annabelles Körper vor Lebendigkeit vibrieren. Sie waren nicht Robert. Annabelle schüttelte den Kopf. „Ich kann es einfach nicht glauben, dass ich hierfür extra früher Feierabend gemacht habe.“
Katie runzelte die Stirn. „Für die meisten Leute ist halb sechs nicht früh.“
„Wir arbeiten an einem wichtigen Projekt.“ Annabelle suchte noch immer einen Untersetzer für ihr Glas. „Und außerdem hatte ich einen anstrengenden Tag im Büro und brauche dringend Schlaf. Danke für die Einladung, Katie, aber ich möchte jetzt doch lieber nach Hause gehen.“
Katies Fußkettchen klirrten, als sie mit dem Fuß aufstampfte. „Mr. Ton in Ton lässt dich wohl Tag und Nacht schuften. Was war es eigentlich noch mal, was er fabriziert?“
„Solarzellen. Und es läuft ganz fabelhaft. Er ersetzt die Siliciumleiter, die derzeit noch im …“
Katie hob die Hand. „Nein, nein. Vergiss, dass ich gefragt habe. Wir haben uns erst letzte Woche über die Funktionsweise von Batterien unterhalten.“
Annabelle straffte die Schultern und begann Robert automatisch zu verteidigen. „Seine Ideen werden schon sehr bald die Energieversorgung unserer Laptops und die Beheizung unserer Häuser revolutionieren. Und hör auf, ihn Mr. Ton in Ton z