1. Editorial
Thematisches Vorwort von Johannes Zimmermann
Es geht – einmal mehr – um die Evangelikalen. Jürgen Mette begibt sich damit auf umstrittenes Terrain, insbesondere deshalb, weil er über die Bewegung schreibt, der er sich selbst zugehörig sieht.
In den Landeskirchen und der akademischen Theologie dient „evangelikal“ häufig zur Abgrenzung. Innerhalb der evangelikalen Bewegung dagegen ist die Bezeichnung ein Identitäts- und Zugehörigkeitsmarker. „Evangelikal“ ist für die einen ein Schimpfwort, für andere ein Qualitätsmerkmal.
Angesichts dieser Polarisierung will Jürgen Mette Brückenbauer sein. Brückenbauer zwischen den unterschiedlichen evangelikalen Strömungen, von denen es wahrlich nicht wenige gibt. Brückenbauer aber auch zwischen den Evangelikalen und der übrigen (insbesondere evangelischen) Christenheit.
Der Begriff „evangelikal“ ist im deutschen Sprachraum noch relativ jung und erst seit den 1970er-Jahren gebräuchlich9, inzwischen aber Gegenstand wissenschaftlicher Forschung ebenso wie populärer Darstellungen.
Gisa Bauer10, auch mit einem Gastbeitrag in diesem Buch vertreten, hat 2012 ein Mammutwerk vorgelegt und interpretiert
das Gegenüber von evangelikaler Bewegung und evangelischer Kirche als „Grundsatzkonflikt“11. Eine religionswissenschaftliche Orientierung kennzeichnet das 2017 erschienene „Handbuch Evangelikalismus“12.
Hansjörg Hemminger und Michael Herbst hingegen versuchen, die Stärken und Schwächen der evangelikalen Bewegung differenziert, nicht unkritisch und zugleich wertschätzend darzustellen13.
Jürgen Mette geht einen Schritt weiter. Er schreibt nicht von außen, nicht als mehr oder weniger wohlwollender Beobachter, sondern „von innen“, als einer, der jahrelang an verantwortlichen Stellen in der evangelikalen Bewegung mitgearbeitet hat. Daher verbindet er auch viel Leidenschaft mit dem Thema: Die nüchterne Prosa wissenschaftlicher Erörterungen ist nicht sein Stil.
Treffsicher kann Jürgen Mette die evangelikale „Szene“ in ihren unterschiedlichen Facetten darstellen: mit Wortwitz und Sprachspielen, liebevoll humorvoll bis ironisch, aber auch kritisch hinterfragend.
Jürgen Mette hat im „alten Tabor“ unterrichtet, als manches dort noch anders war. Vieles hat sich verändert und auch Jürgen Mette ist nicht derselbe geblieben. Das macht es für mich als einen seiner Nachfolger reizvoll, sein Buch mit einem Vorwort zu begleiten.
Sein Anliegen, als Brückenbauer auf der gemeinsamen Grundlage unterschiedliche Prägungen miteinander zu verbinden, hat mich sofort überzeugt – besonders angesprochen hat mich die Vision vom Miteinander der unterschiedlichen Strömungen der evangelikalen Bewegung14.
Dann gibt es allerdings auch Stellen, da ist Jürgen Mette ganz und gar nicht Brückenbauer, da stellt er pointiert seine Position dar. Häufig hat das biografische Hintergründe. Jürgen Mette wendet sich gegen Positionen, die er im Rückblick als Engführungen sieht. Das klingt dann so: „Wir lebten ja in einem frommen und zum Teil weltabgewandten Mikrokosmos.“ – „Ich war selbst jahrelang auf diesem Trip