Vor dem südlichen Balkon auf der kleinen spanischen Vulkaninsel, wo ich für eine Weile lebte, erstrecken sich einige sanft geschwungene Hügel, und in den Wochen meines Hierseins haben wir uns ein wenig angefreundet. Die Hügel sind rot, grün und gelblich im Morgenlicht, braun-ockerfarben am Nachmittag und schwarz und zackig in der Abenddämmerung, die ihre Gestalt wie durch ein Wunder in ferne Pyramiden verwandelt.
Form und Farbigkeit dieser Hügel endgültig zu beschreiben wäre ein ebenso vergeblicher wie poetischer Prozess, und schon der Gedanke daran lässt erahnen, wie es um das Verhältnis von Mensch und Welt bestellt ist: hier das immerwährende Spiel von Licht und Schatten, Werden und Vergehen, dort der Mensch, der alles erfassen, ordnen und verstehen möchte. Wir wohnen in diesem Begreifen. Das immerwährende Beschreiben und Abbilden der Welt ist unser »Haus«, ein Ort, an dem eine uns zuträgliche Atmosphäre herrscht, ein Ort, an dem wir das, was ist, bezeichnen und unterscheiden können und dadurch uns und unser Dasein verstehen.
Etwas auf eine lebbare – und deshalb noch lange nicht »allgemeingültige« oder gar ethisch »richtige« – Weise zu verstehen heißt, sich für einen bestimmten Blick zu entscheiden und dafür einen anderen Aspekt des Ganzen aus dem Blick zu verlieren. Eine Kultur ist die Summe dieser Entscheidungen; ihre wie Häuserwände gezogenen Ein- und Ausschlüsse, Gebote und Verbote ordnen und gewichten die Mannigfaltigkeit des Lebens und geben ihren Bewohnern dadurch einen bestimm