Kettennacht ist einmal die Woche donnerstags. Einmal die Woche kommt für sechzig Frauen der entscheidende Moment. Einige von den sechzig erleben das wieder und wieder. Für die ist das Routine. Ich habe es nur ein Mal erlebt. Ich wurde um zwei Uhr früh geweckt, gefesselt und erfasst, Romy Leslie Hall, Insassin W314159, und zu den anderen in die Reihe gestellt, Aufbruch zu einer Nachtfahrt durchs Tal.
Als unser Bus das Gelände der Untersuchungshaftanstalt verließ, klemmte ich mich ans drahtverstärkte Fenster, um die Welt zu sehen. Viel Welt war da nicht. Unterführungen und Auffahrten, dunkle, menschenleere Alleen. Niemand auf der Straße. Es war ein so entrückter Moment der Nacht, dass die Ampeln nicht mehr von Grün auf Rot umsprangen, sondern nur noch gelb blinkten. Neben uns tauchte ein anderer Wagen auf. Er hatte keine Lichter. Ein dunkles Ding mit dämonischer Energie, das am Bus vorbeischoss. In der U-Haft war eine Frau bei mir im Trakt gewesen, die bloß fürs Fahren lebenslänglich bekommen hatte. Sie sei nicht die Schützin, sagte sie zu jedem, der ihr zuhörte. Sie sei nicht die Schützin. Sie habe nur am Steuer gesessen. Das sei alles. Sie hätten Nummernschilderkennung verwendet. Und Aufzeichnungen von Überwachungskameras. Was man darauf sah, war ein Wagen, der nachts eine Straße en