Kapitel Vier
NELL
Die Panik lässt nach, sobald wir die Lobby betreten, als wäre das WortLAUF mit der Meeresbrise aufgestiegen und ich selbst von einer Strömung erfasst worden, die nicht für mich bestimmt war.
»Irrationale Ängste«, sagt Dr. Roby und lässt seinen Kuli klicken wie ein Metronom, »kommen bei Patienten, die in einem so frühen Alter traumatische Erfahrungen gemacht haben, häufig vor. Wir werden nun daran arbeiten, diese Ängste in den Griff zu bekommen, damit sie nicht mehr so viel Macht über dich haben.«
»Und?«, fragt Dad und breitet die Arme aus. »Was sagst du?«
Ich verdränge das beigefarbene quadratische Patientenzimmer aus meinen Gedanken und konzentriere mich auf den Raum, in dem ich mich jetzt befinde.
Als Tochter eines Mannes, der von Hotels besessen ist, kenne ich mich mit Eingangshallen aus. Von erschwinglichen Franchise-Unterkünften an der Landstraße bis zu großen Wolkenkratzern in der City, von rustikalen Bergchalets bis zu Frühstückspensionen im Zuckerbäckerstil habe ich schon alles gesehen – auch zeitgenössische Lobbys mit einer klaren Linie oder ganz moderne, die Feng Shui ins Gesicht lachen. Aber das hier …
Es ist, als würde man die Zeit zurückdrehen.
Die weitläufige Halle ist mit Säulen gespickt. Von dem schmuckvollen Empfangstresen zu der Galerie und den Balken, die zu einem Diamantmuster gekreuzt sind, ist offenbar alles aus dem gleichen polierten dunklen Holz gestaltet, das im warmen Licht der Wandleuchten und des antiken Kronleuchters glänzt. Man könnte das Ganze für einen Traum halten, und ich denke nur:Mom hätte sich hier unglaublich wohlgefühlt.
Während Dad an der Rezeption beschäftigt ist, gehe ich einmal durch die Halle. Gegenüber vom Haupteingang führt eine Flügeltür in einen großen Garten. Ich trete in die salzige Meeresluft hinaus. Im Innenhof des Hotels ragen Balkone und Laubengänge vor mir auf.
Der Garten ist märchenhaft schön. In einem Arrangement aus Obstbäumen, Magnolien und Zypressen stehen alte Eisenbänke, und ein Kiesweg schlängelt sich durch eine Anlage mit Rosenbüschen und blühenden tropischen Sträuchern. Ich folge dem Geräusch fließenden Wassers auf die andere Seite, wo unterhalb einer Steinmauer ein Teich glitzert. Die Skulptur eines Löwenkopfs ragt hervor, aus dessen Maul Wasser in den Teich sprudelt. Koi-Karpfen flitzen unter den Seerosenblättern hindurch und ihre bunten Schuppen funkeln unter der Wasseroberfläche wie ein Regenbogen. Ich bleibe kurz stehen, sehe ihnen zu und frage mich, ob sie sich jemals Sorgen um etwas machen, das sie nicht kontrollieren können – beispielsweise, ob das Wasser verdampft oder jemand vergisst, sie zu füttern.
Der Wind frischt auf und weht den Duft von Zitronenblüten herbei. Ich drehe mich um und gehe denselben Pfad wieder zurück, doch auf halbem Weg zur Lobby entdecke ich einen einsamen Zitronenbaum auf eine