Kapitel 2
Runhild dankte der Heiligen Jungfrau für die letzten warmen Herbsttage. Milderte doch die Sonne auf ihrem Gesicht ein wenig die Furcht in ihrem Herzen, wenn sie es sich lange genug einredete. Nach dem abendlichen Mahl setzte sie sich auf die Bank neben dem Webhaus und besserte die Kleidung des Gesindes aus. Ständig war sie wachsam, um dem Bauern aus dem Weg zu gehen, so es ihr möglich war. Die Schritte, die sich näherten, waren jedoch zu leicht für den feisten Drecksack. Sie sah auf.
»Dietmar.« Runhild atmete befreit aus und lächelte. Ihr Liebster besuchte sie am Ort ihres ersten Stelldicheins. Hastig erhob sie sich.
Seufzend schlurfte er auf sie zu. »Ihm bereitet es Spaß, dich zu nehmen. Und dir wohl auch. Sonst würdest du dich schließlich wehren.«
Runhilds Herz verkrampfte sich. »Hat er dir das eingeredet? Du kennst die Wahrheit.«
»Er brachte Agnes bei, willig die Buhle zu spielen, und wird es bei dir auch schaffen.«
Sie fror plötzlich und zog ihr Tuch eng um sich. Langsam sank sie auf die Bank. Wie sollte der alte Mistkerl sie je zu so etwas Widerlichem bringen? »Mir wird jedes Mal speiübel, wenn er auf mir liegt. Nur aus Angst vor seinen Schlägen rühr ich mich nicht, bis er fertig ist. Das wird sich nie ändern.«
»Ich hab ihn angeschrien, dann angefleht, dass er von dir ablässt. Mutter weiß, dass er nur seinem Trieb folgt, und lässt ihn gewähren.«
»Aber du liebst mich doch noch?« Sie hielt den Atem an.
Schnaubend ließ er sich neben ihr nieder. »Ich bin so wütend, weil er sich nimmt, was ich will. Ständig stell ich mir vor, was ihr gemeinsam tut.«
»Was er mir antut.« Runhild griff seine Hand. »Bitte, Dietmar. Lass nicht zu, dass er sich zwischen uns drängt. Das könnt ich nicht ertragen.« Sie schniefte und bemerkte, wie ihre Wangen feucht wurden.
Behutsam wischte er ihr eine Träne weg. Das war ihr Antwort genug. Mit beiden Händen strich sie über seine Brust. Er schloss sie in seine Arme. Ihre Lippen näherten sich einander und vereinten sich in einem innigen Kuss. Seine Berührung fühlte sich so weich an. Doch unvermittelt löste er sich. Mit einem Ruck wandte er sich von ihr ab. Seinen Mund fest zusammengepresst, starrte er auf die Felder.
»Dietmar?« Verwirrt kniete sie sich vor ihn, suchte seinen Blick. »Ich brauch dich. Dein Kuss ist Balsam für mein Herz. Du willst mich und wenn wir zusammenliegen, könnt ich das Grauen für eine Weile vergessen.«
Sein Brustkorb hob und senkte sich. Er stand auf und schaute den Weg entlang. »Nein. Nicht solange er dich benutzt. Es ist widerlich, ausgerechnet mit dem eigenen Vater die gleichen Schenkel zu teilen.« Ohne sie eines Blickes zu würdigen, marschierte er davon.
Runhild durchflutete es heiß, ihr schwindelte. »