: Anna Basener
: Schund und Sühne
: Eichborn AG
: 9783732571871
: 1
: CHF 11,50
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 240
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Mit Mitte dreißig ist Kat die erfolgreichste deutsche Groschenromanautorin - und hat genug von erbaulicher Fließbandromantik. Sie will ihren letzten Roman schreiben. Ausgerechnet dafür erhält sie ein adliges Literaturstipendium und wird nach Schloss Rosenbrunn eingeladen. Dort lebt eine Fürstenfamilie, die zwar keinen Titel mehr trägt, dafür aber umso mehr Vergangenheit mit sich herumschleppt.
Kat trifft auf einen schwulen Prinzen, der für Nachkommen sorgen muss, eine depressive Fürstin, die nicht an Depressionen glaubt, einen Rosenkavalier, der die Welt retten will, und eine Prinzessin mit gebrochenem Herzen und Jagdgewehr. Für vier von ihnen brechen herrliche Zeiten an. Der Fünfte wird diesen Herbst nicht überleben.



Anna Basener hat ihr Studium in Hildesheim mit Romanheften finanziert. Sie hat Dutzende Fürstenheftchen geschrieben und war laut ZEIT die »erfolgreichste deutsche Groschenromanautorin«. Sie ist die Adelsexpertin der Podcast-Welt und Moderatorin der GALA ROYALS. Ihr Debütroman ALS DIE OMMA DEN HUREN NOCH TAUBENSUPPE KOCHTE gewann den PUTLITZER PREIS, ist im Schauspiel Dortmund auf der Bühne zu sehen und wird fürs Kino verfilmt.

Schloss der Versuchung


Wird der junge Prinz die Liebe finden?


Wir sitzen in braunen Designersesseln im Erker. Ein Geschenk der Gräfin, hat die Fürstin gesagt, und dass sie sie hässlich finde. Aber erstens könne man Geschenke nun mal nicht ablehnen, und zweitens seien die Sessel schrecklich bequem. Sie gießt uns Tee ein, während der Regen gegen die Scheiben prasselt. Schwere Wassertropfen scheinen den ganzen englischen Park unter Beschuss genommen zu haben. Ist der schöne Spätsommer vorbei? Das Wochenende war bereits grau.

Ich rühre in meinem Tee, trinke einen Schluck und kneife die Augen zusammen. Der Löffel sticht in meine Wange. Die Fürstin stellt ihre Tasse ab und beugt sich vor. Sie nimmt meinen Löffel aus dem Tee, lässt ihn abtropfen und legt ihn auf die Untertasse. »Schönen Gruß vom Pfarrer.«

»Wie bitte?«

»Nichts. Entschuldigen Sie. Angewohnheit.«

»Ah.« Ich nicke und trinke Tee. Regelmäßige Treffen mit der Hausherrin sind Teil des Stipendiums. Jeden zweiten Montag Tee bei der Fürstin, es ist unser erstes Mal. Wir ertragen es beide gerade so. »Wie war die Hochzeit?«, frage ich.

»Am Wochenende? Gut. Ein schönes Fest.«

»Ich war bis jetzt nur auf vier Hochzeiten.«

»In diesem Jahr?«

»Nein, in meinem ganzen Leben eigentlich.«

Sie blinzelt mich an, als hätte ich gesagt, dass ich noch nie das Haus verlassen habe. Ich weiß nicht, was ich zu diesem Blick sagen soll. Sie auch nicht. Keiner in der Familie sieht so blaublütig aus wie sie. Beiger Glencheck ist nur für sie erfunden worden. Jedes Mal, wenn Burberry einen neuen Trenchcoat designt, denken sie an Fürstin Follie in der niedersächsischen Provinz. Dabei braucht die gar keinen neuen. Sie trägt seit zwanzig Jahren denselben, denn sie wirft nichts weg. Sie ist Mensch gewordener Adel, aber sie kann keinen Smalltalk. Als fehle ihr das Gen.

Fieberhaft suche ich nach Themen, als es an der Tür klopft.

»Mami.« Die Prinzessin stürmt samt rostrotem Blazer und glühenden Wangen in den Salon ihrer Mutter.

»Was platzt Sie denn hier so herein?«

»Es ist wichtig.«

»Wichtig?« Die Fürstin hebt eine Augenbraue. Sie spricht mit all ihren Kindern in der dritten Person. Auch die dritte Person ist eine Anrede, zumindest in einer Welt, in der Fürst ein Name ist (aber lieber ein Titel wäre) und der Pfarrer offensichtlich mit Löffeln grüßt. Jedenfalls hat schon Follies Mutter das mit der Anrede so gehalten, und Follie findet das gleichermaßen familiär und respektvoll: Sie wolle nicht originell oder witzig sein, nichts läge ihr ferner. Sie wolle eine ange