Fasten zwischen Symptomtherapie und religiösem Ritual
Essen und Fasten
Zwei Seiten einer Medaille
Essen und Fasten gehören zusammen wie Schlafen und Wachen, Aus- und Einatmen, es sind zwei Seiten derselben Medaille. Unser ganz natürlicher Lebensrhythmus umschließt beide Pole – wir leben einen ständigen Wechsel zwischen Essen- und Fastenperioden –, nur die Dauer ist veränderbar, die Tatsache an sich nicht. Mit fortschreitender Zivilisation ist diese Wahrheit fast in Vergessenheit geraten, die Fastenperioden wurden immer kürzer, und das Nahrungsmittelangebot wurde immer reichlicher. Essen ist heute bei uns so selbstverständlich und im Überfluss vorhanden, dass man fast ununterbrochen Nahrung aufnehmen könnte – gesünder oder gar glücklicher sind wir dadurch allerdings nicht geworden. Gemessen an den Mangelzeiten früherer Epochen, geht es uns prinzipiell natürlich viel besser. DerÜberfluss aber macht uns auch schon wieder krank, und so ist Essen für viele wirklich weitgehendüberflüssig.
Als der Mensch sich noch ursprünglicher mit der Natur auseinandersetzen musste, gab es notgedrungen längere Fasten- oder wohl eher Hungerperioden. Aber nicht nur die zivilisatorische Entwicklung hat die Fastenzeiten reduziert und die Mahlzeiten betont, vor allem der Niedergang der großen Religionen beendete eine lange Tradition religiösen Fastens. Zugunsten weltlicher Macht gaben die Religionen immer mehr inhaltliche Positionen auf. Reste sind noch das karfreitägliche Fasten der Katholiken oder das Osterfasten der Griechisch-Orthodoxen, das Jom-Kippur-Fasten der Juden.
Die großen Ärzte über Fasten
Betrachten wir die Haltung der großen Ärzte der Vergangenheit zum Fasten, so wird deutlich, wie wichtig sie es nahmen, und dass sie es bereits bis in Dimensionen kannten, die wir erst heute wieder »neu entdecken« müssen. Einer der Ahnväter unserer heutigen Medizin, Galenus, sagte: »Die Seele wird durch zu viel Fett, wird durch zu viel Blut und Fett erstickt und ist dann nicht fähig, göttliche und himmlische Dinge einzusehen und zu beurteilen.« Avicenna, einer der berühmtesten Ärzte des Mittelalters, behandelte seine Patienten mit Fastenkuren – ebenso wie auch Paracelsus. Hippokrates verkündete: »Der Hunger wirkt auf die Natur des Menschen mit großer Kraft ein und kann als ein Mittel angesehen werden, das zur Heilung führt.« All diese Berichte und Zitate bezeugen, in welch bewährten und verlässlichen Traditionen sich Fastende bewegen. Die Nachfahren jener großen Heiler aber gingen einen ähnlichen Weg wie der Klerus und schafften sich das Fasten und damit zugleich eine enorme Konkurrenz vom Leibe. Fastend nämlich konnten Patienten jederzeit den Wahrheitsgehalt der alten ärzt