Drei Jahre zuvor – Ebenen der Windreiter – Ort der Treffen
Die Morgendämmerung spielte am Horizont und ließ den Himmel erröten, als River sich leise aus dem überfüllten Zelt schlich, das sie sich mit ihrer Mutter, drei jüngeren Schwestern, ihren beiden Tanten, fünf Cousinen, der Stute ihrer Mutter und den beiden Wallachen teilte, die vor vielen Jahren ihre Tanten als Reiterinnen erwählt hatten. Dank der Position ihrer Mutter als Reiterin der Leitstute der Magenti-Herde stand das Zelt nahe dem Mittelpunkt der Spirale aus steinernen Monolithen, die anzeigten, dass sich hier, am Ort der Treffen, mächtige Leelinien kreuzten. Doch selbst ohne die Monolithen, die sich wie uralte stumme Wachtposten ausnahmen, wäre die schlundartige Höhle in ihrer Mitte ein Beweis für die zerstörerische Kraft der Sonne gewesen, die vor vielen Jahrhunderten dafür verantwortlich gewesen war, dass die Erde aufriss und die Welt sich für immer veränderte. River spähte zum Eingang der Höhle hinüber, um vielleicht einen Blick auf die Jährlinge darin zu erhaschen. Aber alles, was sie sah, waren Schatten im Licht der Fackeln; immerhin hörte sie ihr unruhiges Schnauben und Rascheln.
River widerstand dem Drang, sich den Fohlen zu nähern. Das Gesetz der Herden verbot den Kandidaten jeglichen Kontakt zu den Jungpferden, sobald diese am Ort der Treffen angelangt waren – nicht zuletzt deshalb wurden sie in der Höhle zusammengetrieben, in deren sicheren Tiefen ganze Herden Platz finden konnten.
Heute ist der Tag der Wahl. Nur noch wenige Stunden bis zu dem Ereignis, von dem ich geträumt habe, seit ich träumen kann. Vor Aufregung und Nervosität war ihr ganz schwindelig. Schon jetzt im ersten Morgenlicht begann es in dem riesigen Lager, geschäftig zu summen. Sie wandte sich von der Höhle ab und setzte mit raschem Schritt ihren Marsch durchs Lager fort, den Kopf gesenkt, in der Hoffnung, dass niemand sie erkannte.
»Hallo, River, das Glück der Stute sei heute mit dir!«, rief eine entfernt vertraute Stimme.
Ohne innezuhalten, winkte River flüchtig einen Dank und beschleunigte ihren Schritt. Sie wollte bloß einen kurzen Moment lang allein sein, ehe der Tag begann und sich alle Augen auf sie richten würden.
Tu nicht so dramatisch. Nicht die ganze Aufmerksamkeit wird sich auf dich richten – nur die deiner eigenen Herde, schalt sie sich sarkastisch, während sie zwischen den letzten leuchtend violetten Zelten hindurchschlüpfte, die sich rund um das ihrer Mutter gruppierten und anzeigten, dass hier die Magenti-Herde lagerte. Ihre Herde. Ihr Leben. Und heute der Grund für ihre Nervosität.
Die violetten Zelte wurden durch solche in unterschiedlichen Blautönen ersetzt – hier begann die Indigo-Herde. River lächelte still vor sich hin. Anders als ihre eigene Herde, die viel darauf gab, von einem einzigen wahren tiefen Violettton repräsentiert zu werden, waren die Indigo-Reiter stolz darauf, wie viele Blauschattierungen sie hervorbrachten. Ihrer Mutter gefiel das überhaupt nic