: E. L. Greiff
: Zwölf Wasser Der Sammelband: Zu den Anfängen - In die Abgründe - Nach den Fluten
: dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
: 9783423435918
: 1
: CHF 8.80
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: Fantasy
: German
: 1678
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Was bleibt, wenn die Welt die Menschlichkeit verliert?   E. L. Greiffs fulminante Fantasy-Tr logie um den archaischen Kampf zwischen Gut und Böse - jetzt im eBundle. Zu den Anfängen: Die Undae, hohe Frauen, die das Wasser lesen können, warnen die Menschen: Schwindet das Wasser, schwindet die Menschlichkeit. Drei von ihnen machen sich auf den Weg zu den zwölf Quellen, um die Welt vor dem Untergang zu bewahren. Drei welsische Offiziere, ein Hirte und ein Falke begleiten sie ... In die Abgründe: Der Kampf um die Menschlichkeit zerreißt die Welt: Ein vernichtender Krieg bahnt sich an, tiefe Erdspalten tun sich auf, Beben erschüttern die Städte des Kontinents. Und weit im Süden bereitet die dämonische Asing ihre Rückkehr vor. Kann es noch gelingen, das Schlimmste abzuwenden? Nach den Fluten: »Wasser sinkt, Wasser steht, Wasser schweigt, Menschlichkeit versiegt ...« Die Prophezeiung der Undae scheint grausame Wirklichkeit zu werden. In Agen holt die dämonische Asing zu ihrem vernichtenden Schlag gegen die Menschen aus, während Hardh und seine Feuerkrieger zur letzten großen Schlacht rüsten. Das Schicksal des Kontinents hängt mehr denn je von den Welsen ab, die ihre letzten Kräfte aufbieten.  

E. L. Greiff, 1966 in Kapstadt geboren, lebt heute in den Niederlanden. Studium der Theaterwissenschaften und der Germanistik, anschließend zahlreiche freie Regiearbeiten. Neben der Autorentätigkeit arbeitet Greiff als freie Texterin für Agenturen und Unternehmen. Die Fantasy-Trilogie 'Zwölf Wasser' ist ihr Debüt als Romanautorin. 

PROLOG


DAS GROSSE STERBEN

Der Fisch gab auf. Sein Leben lang hatte er das Wasser in sich hineingepumpt und an den Kiemen entlangströmen lassen, jetzt war es vorbei. Erst sank er, dann drehte er sich und trieb langsam trudelnd aufwärts. Bauchoben durchbrach er den Wasserspiegel des großen Sees, die Schuppen glänzten wie frisch geputztes Silber im Licht der aufgehenden Sonne. Sanft schaukelte der tote Fisch auf den Wellen, bis er schließlich mit einem leisen Klatschen gegen die mit Algen bewachsenen Steine des Hafenbeckens schlug. In der morgendlichen Geschäftigkeit des Hafenviertels, zwischen zerborstenen Holzkisten, zerfransten Seilenden, Öltuchfetzen und anderem Unrat, die den Kai und die Piers wie ein bunter Saum umschwammen, konnte ein einzelner toter Fisch keine Aufmerksamkeit erregen. Auch der Mann, der oben über die Promenade eilte, hatte keine Ahnung von dem Tod, der unter ihm im Wasser lag. Er war mit einem weit größeren Sterben beschäftigt. Einem Sterben, das ihn nicht hatte schlafen lassen und früh aus dem Bett getrieben hatte.

Im Schatten gestapelter Fässer saß eine fette Ratte mit nassem Fell, die Hälfte des Schwanzes fehlte. Als der Mann vorüberlief, machte sie einen müden Hopser, die Andeutung einer Flucht, aber der Mann hatte sie nicht einmal bemerkt. Ein feiner Schweißfilm bildete sich auf seiner hohen Stirn, der Mann verlangsamte seinen Schritt, wich einem Schwall Schmutzwasser aus, das sich aus der dunklen Türöffnung einer Schenke über das Pflaster ergoss. Im Vorbeigehen nahm er die geröteten Hände einer Frau wahr, die einen Eimer hielten. Aber sie trat nicht nach draußen in den Morgen, sondern blieb unerkannt im Dämmer, im schalen Geruch der Gastwirtschaft und der Mann ging weiter. Er bog auf eine breite Straße ein. Viele Menschen waren schon auf den Beinen, die Händler öffneten ihre Stände. Die große Stadt kam nie vollends zur Ruhe, aber heute schien dem Mann die frühe Stunde besonders belebt. Der Eindruck täuschte vielleicht, der Mann traute seinen Sinnen nicht. Schlafmangel machte ihm zu schaffen, er fühlte sich wie unter Wasser, dumpf und schwerelos. Zugleich war er bedrückt und empfindlich: Das Splittern einer fallen gelassenen Obstkiste ließ ihn zusammenschrecken, der Fluch und die unmittelbar darauf folgende Ohrfeige hallten in seinem eigenen Kopf, die über das Pflaster rollenden Äpfel waren die rotesten, die er je gesehen hatte.

Der Mann hob den Kopf und sah den Himmel violett leuchten. Die goldenen Kuppeln der alles überragenden Zwillingstürme glänzten wie große Gestirne. Als habe sich die Stadt selbst eine Doppelsonne an den Himmel geheftet, damit die Dunkelheit diesen Ort nicht erreichen konnte. Und so war es bis jetzt auch: Pram hatte noch jede Katastrophe von sich abwenden können. Der Mann kniff geblendet die Augen zu und wischte sich über die feuchte Stirn. Dies würde der erste wirklich heiße Tag des Solders werden.

In der kühlen Stille des hohen Lesesaals, umgeben vom Wissen des gesamten Kontinents, wurde der Mann etwas ruhiger. Wenn er Folianten um sich herum stapeln konnte, wenn er Schriftrollen ausbreiten und sich über die Zeichen der Vergangenheit beugen konnte, wenn er las, ging es ihm gut. Seine Augen, sonst unstet und nirgendwo Halt findend, saugten sich fest. Er vergaß den Saal, er vergaß sich selbst und er vergaß die Zeit. Er ging über hundert Soldern zurück, hinein ins große Sterben.

Der Eldron hat sich einen Gürtel aus Stahl umgelegt. Drüben, am flachen, grasigen Ufer, ist