: Stefan Krücken, Hans-Peter Jürgens
: Sturmkap Um Kap Hoorn und durch den Krieg - die unglaubliche Reise von Kapitän Jürgens
: Ankerherz Verlag
: 9783945877289
: 1
: CHF 8.80
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: Biographien, Autobiographien
: German
: 232
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Vor Kap Hoorn, 1939: Seit Wochen kämpft die Besatzung der Viermastbark Priwall gegen schwere Stürme. Als der Großsegler aus Hamburg in Valparaiso festmacht, beginnt für den fünfzehnjährigen Schiffsjungen Hans Peter Jürgens eine Irrfahrt durch eine Welt im Krieg. Er arbeitet als Straßenbauer in Chile, überlebt ein Lager im afrikanischen Dschungel und füttert Bären an Kanadas Großen Seen. Nach sieben Jahren kehrt er zurück in eine zerstörte Heimat. Seinen Traum, Kapitän zu werden, gibt Jürgens nie auf. Dafür brennt er Schnaps in London, schuftet auf Fischkuttern in wilder See - und landet wegen illegaler Ausreise sogar im Gefängnis. STURMKAP ist die Geschichte einer Liebe zum Meer. Es ist eine Geschichte von Freundschaft und Kameradschaft, die jedem Sturm trotzt. Es ist die Geschichte von der Kraft eines Traums. Und es ist auch die letzte Erinnerung an eine vergangene Epoche: Die Priwall sollte das letzte Segelschiff bleiben, das Ladung um Kap Hoorn transportierte, gegen die harten Weststürme von Ost nach West. 'Ein mitreißender Bericht aus dem vollen Seemannsleben.' Stern 'Ein Buch, das Menschen in ganz Deutschland bewegt.' NDR Info

Kapitän Hans Peter Jürgens, 1924 in Cuxhaven geboren, fuhr mehr als ein halbes Jahrhundert zur See. Fünf Jahre verbrachte er nach Selbstversenkung des Dampfers Erlangen in alliierter Kriegsgefangenschaft, erst in Sierra Leone, später in Schottland und Kanada. 1953 machte er sein Kapitänspatent und fuhr hauptsächlich für die Hansa-Linie Bremen. 1960 ließ er sich als Seelotse in Kiel nieder. Er gilt heute als einer der bekanntesten deutschen Maler maritimer Motive. Jürgens lebte in Kiel.

14. MAI 1939
HAMBURGER HAFEN


ABSCHIED


Hamburgs Hafen wirkte auf mich wie ein Jahrmarkt, ein Durcheinander von Fähren, Elbkähnen und Schuten. Auf den Landungsbrücken hörte man das Dröhnen der Niethämmer, das herüberdrang von den Werften, von Blohm& Voss. Es roch nach dem Ruß und dem schwarzen Qualm, der aus unzähligen Schornsteinen der Dampfer in den Himmel aufstieg. An trüben Tagen hing der Rauch wie eine dunkelgraue Glocke über dem Hafen.

Die meisten Schiffe lagen nicht an einer Kaimauer, sondern waren an Pfählen festgemacht. Oft mehrere nebeneinander, Bordwand an Bordwand. Wenn ein Besatzungsmitglied an Land wollte, setzte man die Signalflagge N, eine Flagge mit kleinen Karos in Blau und Weiß. Dann wartete der Seemann auf das Wassertaxi. Zahllose kleine Fähren verkehrten in den Hafenbecken. Einen besonderen Ruf genoss dieFähre 7, die »Lumpensammler« genannt wurde, weil sie auf ihrem Zickzackkurs besonders viele Seeleute aufsammelte, auch in den weiter entfernten Hafenbecken.

Im Hafen spielte sich das ganze Leben des Seemanns ab, ganz anders als heute, wo Landgänge meist im Containerterminal enden. Der Hamburger Hafen war damals eine eigene Stadt inmitten der Stadt. Matrosen hatten es nicht weit zur Reeperbahn auf St. Pauli. Manche aber gingen gleich in eine der Spelunken unten an der Wasserkante. Seeleute bekamen damals in jeder Kneipe einen Kredit, einen Bierdeckel, auf den sie anschreiben lassen konnten, denn kaum einer prellte seine Zeche. Das war eine Frage der Ehre.

Es war ein warmer Tag im Mai, die Sonne schien aus einem Himmel ohne Wolken, als mein Vater und ich in Richtung Rödingsmarkt spazierten. Ich sollte mich in einem der Geschäfte für Seemannszubehör einkleiden: Seestiefel, Ölzeug, Unterhosen aus Wolle kauften wir. Frühmorgens waren wir in Cuxhaven aufgebrochen und in den Zug gestiegen, der von einer schwer keuchenden, alten Dampflok gezogen wurde. Vater sprach nicht viel, er sprach nie besonders viel. Hans Jürgens war ein angesehener Kapitän, eine Autoritätsperson, die Leute mit einem Blick zum Schweigen bringen konnte. Mit seinen Kontakten und dank seiner Reputation hatte er es möglich gemacht, dass ich – 15 Jahre alt – als Schiffsjunge auf diePriwall kam. »Wenn schon, dann gehörst du auf ein vernünftiges Schiff!«, sagte er. Ein vernünftiges Schiff?

Kein Schiff hatte es geschafft, Kap Hoorn schneller zu umrunden. Von 50 Grad Süd im Atlantik nach 50 Grad Süd im Pazifik, also von Ost nach West, in fünf Tagen und 14 Stunden, schneller als sämtliche amerikanischen Clipper oder der berühmte FünfmasterPotosí. Die BarkPriwall der Hamburger Reederei F. Laeisz war kein vernünftiges Schiff: Sie war längst eine Legende mit vier Masten – 98,5 Meter