1. KAPITEL
„Gut gespielt, Reynaud.“ Der Sportreporter, der über das gerade beendete Spiel der New York Gladiators berichtet hatte, wartete mit einem Mikrofon in der Hand, als der Starting-Quarterback der Mannschaft, Jean-Pierre Reynaud, den Presseraum im Coliseum Sports Complex betrat.
Jean-Pierre war auf die Fragen des Journalisten nach seinem dritten gewonnenen Heimspiel vorbereitet. Vor dem voll verglasten Presseraum wartete eine Unmenge von Fans im Coliseum’s Coaches Club. Hier konnten sie die Pressekonferenz miterleben und entspannt einen Drink an der Bar nehmen, bis sich der Verkehr nach dem Sonntagsspiel gelegt hatte.
Nachdem er mit der rechten Hand, mit der er eben noch den siegbringenden Pass geworfen hatte, ein kleines Mikrofon an seine Jacke geklippt hatte, winkte Jean-Pierre der Menge kurz zu. Er würde das Interview geben und in weniger als dreißig Minuten von hier verschwunden sein. Früh genug, um heute Abend noch in einem Privatflieger nach New Orleans zu fliegen. Zum einen musste er sich um eine Familienangelegenheit kümmern.
Und zum anderen? Er plante, unbemerkt das Team seines Bruders, die New Orleans Hurricanes, auszukundschaften, bevor es zum vielfach angekündigten Bruder-gegen-Bruder-Showdown in der zwölften Woche der regulären Spielzeit kam. Das Team gehörte Gervais, dem ältesten der vier Reynaud-Brüder. Der zweitälteste, Dempsey, trainierte die Hurricanes. Und Henri Reynaud, der Bayou-Bomber, wie seine Fans ihn nannten, war der Quarterback des Vereins.
Als das jüngste Mitglied von Louisianas reichster Familie und Miteigentümer des Schifffahrtunternehmens hatte Jean-Pierre die Leidenschaft für das Spiel von seinem Vater und Großvater geerbt, genau wie seine Brüder. Aber er war der Spieler, den die Presse in New Orleans gern „den Verräter von Louisiana“ nannte, weil er es gewagt hatte, eine Karriere außerhalb seines Heimat-Bundesstaates zu starten – und außerhalb des Einflussbereichs seiner Familie.
Bisher hatte es kein NFL-Club geschafft, die Position des Starting-Quarterbacks zwischen zwei Spielern aufzuteilen. Und Jean-Pierre war nicht der Typ, der im Schatten seines Bruders spielte. Also war es ihm egal, was die Sportkritiker dazu sagten.
Als die Gladiators ihm ein Angebot machten, hatte er es freudig angenommen – natürlich erst, nachdem er sich von dem Schock erholt hatte. Der Cheftrainer der Gladiators, Jack Doucet, war ein Feind der Reynauds, nachdem es zum Krach zwischen den Familien im Zusammenhang mit Football gekommen war. Jack war damals stellvertretender Trainer im Texas Team gewesen, das Jean-Pierres Großvater gehört hatte. Die Trennung war nicht nur bitter gewesen, sie hatte auch Jean-Pierres kurze Schulromanze mit Jacks Tochter beendet, als sie nach New York zogen.
Deshalb … ja, es war eine Überraschung gewesen, als Jacks Team Jean-Pierre einen Vertrag bei den Gladiators anbot.
„Sind Sie bereit?“, fragte ein Reporter von einem New Yorker Radiosender, während sich die Zahl der Journalisten um ihn herum vervielfachte.
Jean-Pierre nickte. Er strich sich das noch feuchte Haar aus der Stirn und rückte seine Krawatte zurecht.
Um ihn herum wurde es still. Die Türen waren gesichert worden. Während er darauf wartete, dass die ersten Fragen in seine Richtung abgefeuert wurden, schaute er an de