Was wir meinen, wenn wir von sozialer Kontrolle sprechen
Sofia: Der Begriffsoziale Kontrolle ist sehr vage, finde ich, mit all den kleinen und großen Kontrollmaßnahmen.
Amina: Schließlich braucht man soziale Kontrolle in einer funktionierenden Gesellschaft. Es muss nur unbedingt klar sein, dass es uns spezifisch umnegative soziale Kontrolle geht, die Unkultur, sozusagen. Es ist nicht unser Anliegen, dass bei der Bezeichnungsoziale Kontrolle automatisch das »negativ« mitgedacht wird.
S: Nein. Grenzen durch positive soziale Kontrolle sind okay, also alles, was gesetzlich geregelt ist, unser Rechtssystem. Wir meinen mit negativer sozialer Kontrolle, wenn die in einem bestimmten Milieu gelebten und akzeptierten Normen und ungeschriebenen Gesetze über dein Leben bestimmen, obgleich sie gegen die Menschenrechte verstoßen.
Gegen die Menschenrechte, das hier geltende Gesetz, die Kinderrechtskonvention und so weiter. Wenn es darum geht, einen Menschen daran zu hindern, sich auf eine Weise zu entwickeln, auf die jeder Mensch ein Recht hat: durch eigene Entscheidungen, Selbstbestimmung, Wahlfreiheit, Bewegungsfreiheit, alle diese Freiheiten. Das ist Freiheitsbegrenzung.
Nancy: Man wird sozusagen auf individueller Ebene kontrolliert und eingeschränkt.
S: Ich finde das eher kollektivistisch.
N: Ja, aber es trifft immer auch Einzelpersonen.
A: Stimmt.
S: Wir müssen versuchen, es genauer zu definieren, damit soziale Kontrolle ein konkreterer Begriff wird. Beispiele geben, Details.
N: Nuancierung ist auch wichtig, in diesem Buch und in der Debatte. Ich finde nämlich … Zwangsheirat und Genitalverstümmelung sind natürlich sehr ernste und schwierige Themen, aber sie sind von außen betrachtet viel deutlicher als Unrecht zu erkennen, als die »sanfteren« Formen von Sozialkontrolle, das konstante Zurechtweisen und die ständigen Vorgaben, wie man sich zu benehmen hat, die einem das Gefühl geben, nicht man selbst sein zu dürfen. Beides ist eine Form negativer sozialer Kontrolle. Und beides kann den kaputt machen, der sie erlebt.
A: Ja, weil die kleinen mit den großen Dingen zusammenhängen! Sie alle haben das gemeinsame Ziel, dir dein Selbstbestimmungsrecht zu nehmen. Wenn dir immer wieder vorgebetet wird, wie du zu sein hast, bleibt kein Raum für dich, selber herauszufinden, wer du bist. Wenn jemand dich für eine Umerziehung an einen anderen Ort schickt, ist kein Platz für Protest.
S: Sanfter sind diese Formen der Kontrolle eigentlich nicht, nur anders, weil nicht so offensichtlich. Und oft ist die extreme Kontrolle nur die soziale Sanktionsmaßnahme für die Nichtbefolgung der anderen, sanfteren Regeln.
N: Genau!
A: Ich hab alles erlebt, von den kleinen bis zu den großen Dingen. Das, was sich in allem wiederholt, ist, dassich als ich nicht genüge.
S: Dann wäre noch wichtig zu unterstreichen, dass wir im Großen und Ganzen von einer Form der negativen sozialen Kontrolle aus einerEhrenperspektive reden. Die meisten Mädchen kennen die Stigmatisierung aus eigener Erfahrung, die unnatürliche Schamzuweisu