1. Kapitel
Liebe auf den ersten Blick führte immer zu Problemen, aber Silver Tesdal konnte nicht anders. Sicher, der silbern glänzende Airstream-Wohnwagen war ein paar Jahre alt und hatte außen einige Dellen. Auch die Innenausstattung musste komplett ersetzt werden. Aber trotzdem … diese Linien, der Platz! Es war genau das, was sie sich immer vorgestellt hatte. Um ihn zu ziehen, bräuchte sie einen großen Pick-up, außerdem würde sie mehr Mitarbeiter benötigen, um ihn zu bedienen. Aber sie konnte es schaffen. Zumindest in ihren Träumen.
Es gab noch einen zweiten, kleineren Wohnwagen gleicher Bauart, der sich in einem noch schlechteren Zustand befand, aber mit seinen knapp zehn Metern Länge wäre er perfekt für kleinere Veranstaltungen. Sie sah die beiden bereits vor sich – neu eingerichtet und mit dem AlcoHaul-Logo ihrer Firma versehen.
Lächelnd lehnte sie sich auf ihrem Schreibtischstuhl zurück. Im Moment hatte ihre Firma genau eine Festangestellte – nämlich sie. Das Personal, das sie für die Veranstaltungen benötigte, engagierte sie immer nach Bedarf. Aber, dachte sie sehnsüchtig, während sie die Verkaufsangebote auf ihrem Bildschirm betrachtete, mit den Airstreams würde sich das alles ändern. Für jeden der beiden Anhänger würde sie einen Barkeeper brauchen, was bedeutete, sie würde zwei Personen fest einstellen müssen. Und sie müsste das nötige Geld verdienen, um sie zu bezahlen.
Zuallererst müsste sie jedoch die Anhänger kaufen, sie zurechtmachen, zwei Trucks kaufen und sicherstellen, dass sie genügend Buchungen hatte, damit sich das alles lohnte. Die Zahlen war sie schon mehrmals durchgegangen. Sie konnte es schaffen und trotzdem im Laufe der Zeit Gewinn erwirtschaften. Doch um die Anhänger jetzt zu kaufen, da sie gerade auf dem Markt waren, würde sie einen Kredit benötigen. Und auch wenn sie die berühmten Wohnwagen der MarkeAirstream von ganzem Herzen liebte, hatte sie wenig Lust, sich erneut mit einer Bank herumzuschlagen.
Silver schloss den Browser und nahm die schmale schwarze Aktentasche aus Leder in die Hand, die sie vor ein paar Jahren für acht Dollar auf einem Hausflohmarkt erstanden hatte. Sie war eigentlich nicht der Typ für Aktentaschen, aber nach der Gründung ihrer Firma hatte sie gemerkt, dass sie sich ab und zu der konventionellen Welt anpassen musste. Die Aktentasche half ihr, diejenigen zu beruhigen, die sie ansonsten vorverurteilt hätten.
Nachdem sie Handy und Portemonnaie in die Tasche gesteckt hatte, strich sie sich ihren schwarzen Bleistiftrock glatt und verließ ihr Loft. Heute, und nur heute, hatte sie ihre übliche Kluft aus Jeans und Tanktop gegen einen Rock, eine Seidenbluse und einen kurzen schwarzen Blazer eingetauscht. Dazu hatte sie sich dezent geschminkt und ihre langen blonden Haare zu einem französischen Zopf geflochten. Unechte Goldohrringe und schwarze Pumps mit sieben Zentimeter hohen Absätzen machten ihre Verwandlung perfekt. Sie kam sich albern vor, wusste aber, wie wichtig das äußere Erscheinungsbild war.
Zehn Minuten später fuhr sie mit ihrem Pick-up auf den Parkplatz derCalifornia First Savings and Loan. Vo