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Ilona sah über die Schulter zurück, während sie durch die Baumreihen ritt. Der Wald lichtete sich, und sie konnte das offene Land mit seinen satten Wiesen sehen, die mit Blumen übersät waren. Ein bewaldeter Hang führte bis zum Horizont, der die Berge mit den schneebedeckten Kuppeln berührte.
Doch Ilona schenkte dem schönen Anblick keine Beachtung. Ihr Interesse galt der Gruppe, die ihr folgte.
Könnte irgendetwas, fragte sie sich, schlimmer sein, als von zwei alten Armee-Offizieren und zwei Reitknechten beim Ausreiten begleitet zu werden?
Schon beim Verlassen des Palastes hatte sie mißmutig auf ihre Eskorte geblickt. Von dem Moment an hatte sie gewußt, daß ihr Ausritt nicht von langer Dauer sein würde. Dabei waren es gerade die Pferde, auf die sie sich bei dem Gedanken an den Besuch zu Hause gefreut hatte.
Sie war gerade zehn Jahre alt gewesen, als sie Dabrozka in der Hortobagy Pußta verlassen hatte. Doch hatte sie nie die aufregenden Erlebnisse bei ihren Ausritten über die Weiden und die charakteristische Pracht der feurigen Pferde vergessen.
Wie die Leute selbst, so hatten auch die Pferde von Dabrozka mehr ungarisches Blut in sich als die anderer Länder des Balkans.
Es war das ungarische Temperament in ihr, das sie jetzt veranlaßte, davon zu preschen, um die Ruhe, den Wind in ihrem Gesicht und die Herrlichkeit ihrer Umgebung zu genießen.
Als sie in einen Galopp verfiel, hatte sie den letzten Baum passiert. Auf der linken Seite lag der Fluß, der das Gebiet wie ein silbernes Band teilte.
Ilona zog am Zügel, als sie den steilen Abhang bemerkte. Hoffentlich war sie nicht zu schnell geritten, um das Tier und sich in Gefahr zu bringen. Doch sie war davon überzeugt, daß das Dabrozkan-Pferd sicher genug auf den Beinen war und sie nicht abwerfen würde.
Als sie das Flußufer erreicht hatten, sah sie sich nach ihren vier Begleitern um. Sie entdeckte jedoch keine Spur von ihnen.
Das Wasser des Flusses war flach, wie sie es erwartet hatte. Im nächsten Monat würde es noch seichter sein.
Im ersten Augenblick sah es aus, als ob Silber das Flußbett durchlaufen würde, doch das Wasser war klar, und man konnte leicht bis auf den Grund sehen. Ilona führte das Pferd in den Fluß.
Das Wasser reichte nicht einmal bis zu den Steigbügeln. Sie erreichten die andere Uferseite und verschwanden in der Dichte eines Waldes.
Ilona beugte sich vor und klopfte dem Pferd den Hals.
„Wir haben es geschafft, Junge“, sagte sie leise. „Und jetzt können wir tun und lassen, was wir wollen.“
Sie wußte, daß ihr Vater sehr enttäuscht sein würde. Doch zum ersten Mal fürchtete sie ihn nicht.
Der Duft der Tannenbäume und die Wärme der Sonnenstrahlen waren herrlich. Sie ging davon aus, daß die Männer nach ihr suchten und sie sich hier Zeit lassen konnte. Sie hoffte, einige wilde Tiere zu sehen, die sie in ihrer Kindheit so fasziniert hatten. In Dabrozka gab es Gämsen, Bären, Wölfe, Luchse, Hirsche und Eber. Niemals würde sie die kleinen Bärenbabys vergessen, die ihr als kleines Mädchen gezeigt und dann von Zigeunern gezähmt wurden. Dabei hatte sie gelernt, daß es unmöglich war, einem alten Bären etwas beizubringen. Doch die Jungen, wenn sie früh genug von der Mutter wegkamen, konnte man sehr gut dressieren.
Trotzdem sah sie keinen einzigen Bären, nur einige Vögel, die bei ihrem Erscheinen davonflogen.
Die Sonnenstrahlen fielen vereinzelt durch die Baumwipfel und verliehen dem ganzen Bild etwas Romantisches, das Ilona nie vergessen würde. All das gehörte zu den Erinnerungen ihrer Kindheit. Sie erinnerte sich jetzt daran, daß sie immer geglaubt hatte, im Wald gäbe es Drachen und Kobolde würden s