Buch II
Adolfs Vater
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Die Jahre 1938 und 1942 folgten jedoch erst mehr als hundert Jahre später auf 1837. Ich erwähne 1938 noch einmal wegen einer kleinen Episode, die sich in Österreich während des Anschlusses abspielte. Sie ermöglicht einen Blick in Himmlers Inneres. Wenn er hinter seinem Rücken als Heini verhöhnt wurde – schiefe Haltung, aufgeblasen, breitarschig –, so beschrieben seine Lästerer lediglich die Schale. Niemand, selbst Hitler nicht, glaubte tiefer an die philosophischen Prinzipien des Nazismus als er.
Ich erinnere mich, wie am ersten Morgen nach dem Einmarsch der Braunhemden ein Trupp von ihnen, Biersaal-Typen mit dicken Bäuchen, eine Gruppe alter und jüngerer Juden zusammentrieb – Angehörige gehobener Berufe, den Kneifer korrekt auf der Nase – und sie zwang, den Gehsteig mit Zahnbürsten zu schrubben. Die Sturmtruppler schauten ihnen lachend zu. Fotografien des Vorfalls erschienen auf den Titelseiten vieler Zeitungen in Europa und Amerika.
Am nächsten Tag sprach Himmler mit einigen von uns. »Das war eine teure Orgie, und ich bin froh, dass keiner unserer SS-Männer etwas mit dieser Rohheit zu tun hatte. Wir alle wissen, wie solche Exzesse die Moral sogar unserer besten Leute untergraben. Sie ermutigen sicher die Rüpel in Wien. Trotzdem sollten wir nicht voreilig den primitiven Instinkt dieser Aktion verurteilen. Nach langem Überlegen kann ich nur sagen, es war ein erfolgreiches Spottstück.« Er hielt inne. Er hatte unsere Aufmerksamkeit. »Bei vielen Menschen in unserem Volk gibt es ein kurioses, ein verborgenes Gefühl der Minderwertigkeit. Sie meinen, die Juden könnten bei jedem Wettbewerb mehr Konzentration aufbringen als die meisten von uns, und die Juden verstünden das richtige Studieren, weshalb sie so unverschämt erfolgreich seien. Bei diesen Leuten herrscht die Vorstellung, die Juden würden immer gewinnen, weil sie härter arbeiteten als die Gastgeber-Rasse aller Länder, in denen sie wohnen.
Diese Meinung entspringt einer groben, aber instinktiven Einstellung unseres deutschen Volks. Sie übermittelt den Juden die Botschaft, dass Arbeit sinnlos ist, wenn sie nicht einem edlen Ziel dient. ›Schrubbt nur weiter mit euren Zahnbürsten‹, sagen unsere Straßenjungen, ›weil ihr Juden ja jeden Tag genau das Gleiche tut, ob ihr es wisst oder nicht. Eure tugendhafte Gelehrtheit bringt euch nur in endlose Widersprüche.‹ Nach reiflicher Überlegung«, schloss Himmler, »möchte ich daher die Taten dieser gemeinen Nazis nicht vorschnell verurteilen.«
Die Geschichte ist lehrreich, wenn man Himmler verstehen will, aber sie unterbricht meinen Bericht darüber,