: Laura Wiesböck
: In besserer Gesellschaft Der selbstgerechte Blick auf die Anderen
: Verlag Kremayr& Scheriau
: 9783218011457
: 1
: CHF 15.20
:
: Politische Soziologie
: German
: 208
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'Aber wir sind doch alle gleich!' Der Schlachtruf der aufgeklärten Gesellschaft ist zugleich ihr größter Stolperstein: Kaum eine Annahme ist so fragil. In Wirklichkeit sind wir bestrebt, uns anderen Menschen, anderen Bevölkerungsgruppen, anderen Denkmustern, anderen Verhaltensweisen gegenüber abzugrenzen. Mann oder Frau, jung oder alt, stark oder schwach, arm oder reich, ungeachtet der sozialen Stellung, Religion oder Nation - die Mechanismen sind immer dieselben: Weniger Privilegierte pochen auf ihren ehrlichen 'Arbeiterstatus' und wettern gegen die Schnösel 'da oben'; das sogenannte Bildungsbürgertum schüttelt den Kopf pikiert über Wähler rechtspopulistischer Parteien und bestellt mit wohligem Gefühl das Bio-Kisterl. Konsumverhalten wird zum Statussymbol, der Beruf zur Identität und politische Andersartigkeit zum Feindbild. Die Soziologin Laura Wiesböck geht unserer Sehnsucht nach Überlegenheit mit Verve, Witz und Wissen auf den Grund - und fördert dabei auch unangenehme Wahrheiten zutage.

Laura Wiesböck ist Soziologin an der Universität Wien. Schwerpunktmäßig arbeitet sie zu Ursachen und Formen von sozialer Ungleichheit sowie deren (Re-)Produktion durch Sprache. Für ihre akademische Arbeit wurde sie mit dem Theodor-Körner-Preis und dem Bank Austria Forschungspreis ausgezeichnet. Neben wissenschaftlichen Artikeln publiziert sie regelmäßig in Tagesmedien, wie 'Zeit Online', 'Standard', 'Wiener Zeitung' oder 'orf.at' zu Themen wie Sexismus, politischer Kommunikation oder den Auswirkungen von Arbeitsmigration in Europa.

DO WHAT YOU LOVE


In welchem Job kann ich mich am besten selbst verwirklichen? Wie kann ich meine Leidenschaft zum Beruf machen? Das sind historisch betrachtet sehr neue Fragen, die bisher bei der Berufswahl nur eine nachgeordnete Rolle gespielt haben. In unserer Zeit lautet das Mantra hingegen „Do what you love“ – du kannst alles erreichen, wenn du nur deiner Leidenschaft nachgehst, hart dafür arbeitest und fest an dich glaubst. Dieser bekannte Mythos des American Dream dient heute jungen Menschen als Motivation. Die Social-Media-Kanäle sind voll von Sprüchen von Unternehmer*innen, die ihren Erfolg darauf zurückführen, stets die eigene Passion beruflich verfolgt zu haben.

Auf den ersten Blick ist daran auch nichts auszusetzen, denn es lässt uns darüber nachdenken, was uns Freude bereitet und gleichzeitig daraus einen wirtschaftlichen Nutzen generieren. Aber warum sollten wir unsere Leidenschaft eigentlich gegen Geld eintauschen und zu einer Pflicht machen? Liegt das Vergnügen an unseren Hobbys nicht auch darin, dass sie spielerisch und gerade eben nicht zweckgerichtet betrieben werden, und wir uns mit ihnen freiwillig in unserer Freizeit zur Erholung beschäftigen? Natürlich, ein großer Teil der Lebenszeit wird im Berufsleben verbracht und wir würden uns wohler fühlen, wenn wir die dortigen Tätigkeiten schätzen könnten oder zumindest nicht verachten.

Allerdings ist „Do what you love“ ein verkleideter, versteckter Elitismus, denn wer kann es sich schon leisten, stets seiner Leidenschaft nachzugehen? Ein junger Mann, dessen Eltern sein Studium an der Privatuniversität sowie die Unterkunft bezahlen, wahrscheinlich schon. Eine alleinerziehende Mutter, die sich ohne Unterstützung um die Versorgung ihrer Familie kümmern muss, wahrscheinlich nicht. Die Hingabe zum Beruf wird in privilegierten Kreisen zur noblen Geste der Selbstoptimierung. Demnach ist Arbeit nicht primär etwas, das man gegen Geld tauscht, sondern ein Akt der Selbstverwirklichung. Das Selbst wird über den Beruf erst wirklich legitimiert. Ich arbeite nicht als Grafikdesignerin, ichbin Grafikdesignerin.

Besonders in den USA ist die eigene Identität sehr stark mit dem Beruf verknüpft. Man möchte sich nicht mit jemandem identifizieren, der für acht Stunden eincheckt, um die Miete bezahlen zu können. Was in der amerikanischen Kultur schon lange etabliert ist, hält auch in unseren Breiten immer stärker Einzug. Hier ist das Ideal der Selbstverwir