Familiengeschichte der Paardynamiken – Paardynamiken in der Familiengeschichte
von Alessandro Barberi
für Reinhard Sieder
Aufhebung der Familie! Selbst die Radikalsten ereifern sich über diese schändliche Absicht
der Kommunisten. Worauf beruht die gegenwärtige, die bürgerliche Familie?
Auf dem Kapital, auf dem Privaterwerb. Vollständig entwickelt existiert sie nur für die Bourgeoisie;
aber sie findet ihre Ergänzung in der erzwungenen Familienlosigkeit
der Proletarier und der öffentlichen Prostitution.
(Karl Marx/Friedrich Engels: Manifest der kommunistischen Partei, 1848)
So gewinnt die Familie für den Konservativen ihre besondere Bedeutung als Bollwerk
der von ihm bejahten Gesellschaftsordnung. Daher kommt es auch,
daß sie in der konservativen Sexualwissenschaft
eine der am schärfsten verteidigten Positionen ist.
(Wilhelm Reich: Die sexuelle Revolution, 1945)
Die Familie ist der Kristall im Sexualitätsdispositiv: sie scheint eine Sexualität zu verbreiten,
die sie in Wirklichkeit reflektiert und bricht.
Mit ihrer Durchlässigkeit und ihren Verweisen nach außen
ist sie für dieses Dispositiv eines der wertvollsten taktischen Elemente.
(Michel Foucault: Sexualität und Wahrheit 1 – Der Wille zum Wissen, 1976)
1. Linien der Familiengeschichte bis 1900
Wahrscheinlich spielt der Problemkreis der Familie nicht zuletzt ob seiner bevorzugten Rolle im Rahmen derReproduktion (von Generationen, Genealogien und Genen) sowie derSozialisation (von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur) eine dermaßen eminente Rolle (Burguière et al., 1986). Dabei unterlag die Familie in der Neuzeit parallel zu entscheidenden wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Wandlungen (z. B. die ursprüngliche Akkumulation des Kapitals im Umfeld der Renaissance, Französische Revolution, industrielle Revolution, Wirtschaftswunder oder Mai 68) grundlegenden Veränderungen. Da